Archive for the ‘Aufstand/Revolte’ Category

Der Aufstand in Kolumbien: »Ein Beispiel dafür, was kommen wird«

Donnerstag, Oktober 1st, 2020

Quelle: crimethinc

Ein Bericht und Interview über die Hintergründe der Revolte

In den Straßen mehrerer kolumbianischer Städte kam es in den letzten zwei Tagen (9./10. September) zu heftigen Konflikten als Reaktion auf den brutalen Mord in Bogotá durch die Polizei an dem 43-jährigen Javier Ordóñez (einem Anwalt und zweifachen Vater). Ordóñez trank friedlich auf der Straße vor der Wohnung seiner Freund:innen, als die Polizei eintraf und ihn ohne Provokation schlug und 11 Mal mit einem Elektroschocker angriff. Als er im Krankenhaus ankam, nach dem er auf dem Polizeirevier weiter verprügelt wurde, war er bereits tot.

Ein Video, das von Ordóñez‘ Freund:innen aufgenommen und über soziale Medien verbreitet wurde, löste in Bogotá, Cali, Medellín, Bucaramanga, Popayán, Ibagué, Barranquilla, Neiva, Tunja und Duitama massenhaft Proteste aus. Allein in Bogotá wurden 56 Polizeinebendienststellen, die CAIs (Comandos de Atención Inmediata) genannt werden, beschädigt, die meisten von ihnen verbrannt. Obwohl in den Mainstream-Nachrichten von acht Menschen berichtet wird, die in der ersten Nacht von der Polizei oder Paramilitärs getötet wurden, zeigen Bilder am Donnerstag, dass 10 Personen getötet worden sind, von denen alle bis auf eine Person identifiziert werden konnten. Die Zahl der Verletzten variiert je nach Quelle. Die New York Times behauptete, dass weitere 66 in der Nacht vom 9. September Schusswunden erlitten hatten, mit insgesamt über 400 Verletzten.

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Wird Belarus frei sein?

Montag, August 31st, 2020

Quelle: schwarzer Pfeil

Deutsche Übersetzung eines Artikels von Integration Nightmare, verfasst von Nikita Ivansky


Seit nun drei Wochen finden auf den Straßen von Belarus Proteste gegen den Diktator Lukaschenko statt. Er ist der erste und einzige gewählte Präsident der Republik Belarus, der das Land seit 26 Jahren regiert. Im Internet gibt es eine Menge Meinungen über ihn. Einige glauben, dass er ein Leuchtfeuer der Hoffnung für den Kampf gegen den westlichen Imperialismus ist, während andere wissen, dass er ein verdammter Psycho ist, der bereit ist zu töten, um an der Macht zu bleiben. Dieser Text geht auf einige Argumente ein, die in anarchistischen und linken Kreisen auf der ganzen Welt online geführt werden. Und am Ende werde ich versuchen zu antworten, wird Belarus frei sein, wenn Lukaschenko stirbt? (mehr …)

Out Now : 325 #12 – ‘Against the Fourth and Fifth Industrial Revolutions’ (ACN)

Samstag, August 29th, 2020

Quelle: 325

PDF: 325 #12 – ‘Against the Fourth and Fifth Industrial Revolutions’ (ACN)

Presenting 56 pages of anti-organisational, insurrectional, anti-civilisation anarchy of the 21st Century. A collection of critical texts and letters from anarchist points of view examining the new changes in production and social control brought about by new technologies which are ushering in a totalising prison-world and the advance of smarter-than-human machines. This issue of 325 builds on the considerations and content of the last issue which took as it’s focus the subject of the Technological Singularity. Six years later, the mechanisms, ideologies and impacts of this global dystopian project are nearer and clearer and the texts you will read in this new issue deal with the emerging realities of these technological revolutions.

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Hände an das Schießpulver – von Gustavo Rodriguez

Donnerstag, August 27th, 2020

Quelle: 325, übersetzt von abc wien

Direkte Solidarität mit inhaftierten Anarchist*innen

Gabriel Pombo Da Silva, Dinos Giagtzoglou, Alfredo Cospito, Anna Beniamino, Nicola Gai, Marco Bisesti, Christos Rodopoulos, Lisa Dorfer, Michael Kimble, Eric King, Monica Caballero, Francisco Solar und allen anarchistischen Gefährt*innen in Gefängnissen auf der ganzen Welt.

„Für mich wählte ich den Kampf […] Ich stellte mich der Gesellschaft mit den gleichen Waffen, ohne den Kopf zu beugen…“
Severino Di Giovanni

„Die Verbrennung von Atheisten, die Verurteilung von Homosexuellen oder Inzestopfern, die Absonderung von „Verrückten“ und die Inhaftierung von Gesetzlosen sind nur verschiedene Arten der Integration und Unterdrückung all derer, die über die von der Norm gesetzten Grenzen hinausgehen […].
Gefängnisse, Pflegeheime, demokratische Therapien und orthopädische Behandlungen sind nur verschiedene Arten, den gleichen Glauben an ein Modell anzuwenden“.
Canenero, Nummer 3, 11. November 1994

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ramasuri – magazin für die revolte #2 erschienen

Montag, August 24th, 2020

Quelle: ramasuri

Wir freuen uns über das Erscheinen der ramasuri * Nr. 2!

Mit schickem Cover und auf Papier könnt ihr sie über unsere Mail-Adresse (siehe unten) bestellen.

Ihr könnt euch ramasuri * Nr. 2 aber auch hier als pdf in Booklet-Form anschauen, downloaden, ausdrucken und zum Heft zusammenklappen.

Für Fragen oder Feedback, schreibt uns einfach eine Mail!

Kontakt: ramasuri@riseup.net

[Belarus] Anarchist:innen im Aufstand gegen die Diktatur

Samstag, August 15th, 2020

Quelle: crimethinc

In der Nacht zum Sonntag, dem 9. August, ist als Reaktion auf eine Wahl, die weithin als manipuliert gilt, in Belarus eine massive Protestbewegung gegen Aleksandr Lukaschenko, den »starken Mann«, der das Land seit über einem Vierteljahrhundert regiert, ausgebrochen. Die Polizei hat Tausende von Menschen festgenommen, scharfe Schüsse abgegeben und Demonstrierende ermordet. Von Sonntag bis Dienstag hat Lukaschenkos Regierung anscheinend das Internet und Festnetztelefone abgeschaltet, in der Hoffnung, die Proteste zu dämpfen, während sie behauptet, der Ausfall sei das Werk von Kräften außerhalb von Belarus. Die belarussische Oppositionskandidatin Swetlana Tichanouskaya wurde festgenommen und anscheinend gezwungen, ein Drehbuch zu verlesen, in dem erklärt wird, dass Lukaschenko die Wahl gewonnen hat und die Leute dazu aufgefordert werden, »dem Gesetz zu gehorchen« und sich von Straßenprotesten fernzuhalten. Danach floh sie nach Litauen. Trotzdem gehen die Proteste weiter. In einem Kontext, in dem der Staat gegen jede Form der politischen Opposition vorgegangen ist, gehören Anarchist:innen zu den einzigen organisierten Gruppen, die noch in der Lage sind, an Straßendemonstrationen teilzunehmen. Um die Ereignisse zu verstehen, haben wir mehrere Anarchist:innen aus Belarus interviewt.

Dies ist nicht das erste Mal, dass wir Anlass hatten, mit belarussischen Anarchist:innen zu korrespondieren. Im Jahr 2017 nahmen Anarchist:innen in Belarus an vorderster Front an einer Protestwelle gegen ein Gesetz teil, das Arbeitslose zwingt, eine spezielle Zusatzsteuer an die Regierung zu zahlen. Obwohl einige Belarus als den letzten sozialistischen Verweigerer der Sowjetära bezeichnen, ist die herrschende Klasse dort in dem gleichen Prozess der Anhäufung von Reichtum und der Unterdrückung von Dissens engagiert, den wir in den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, China und anderswo sehen. Wir sehen die Protestbewegung in Belarus nicht als eine Reaktion auf ein »rückständiges« Regime, das einfach durch die Einführung der Demokratie gelöst werden kann, sondern vielmehr als einen weiteren Brennpunkt neben Portland und Belgrad in einem weltweiten Kampf gegen die Folgen des Kapitalismus und Autoritarismus.

Notwendigerweise ist die neue Protestwelle in Belarus dezentralisiert und weitgehend führerlos, sie hält an anarchistischen Taktiken, wenn nicht sogar Prinzipien fest. Wir befürchten, dass selbst im besten Fall diese gegenwärtige Horizontalität keinen positiven Ausgang garantiert. Weitgehend horizontale Widerstandsbewegungen wurden wiederholt kooptiert und kanalisiert, um die gleichen autoritären Staatsstrukturen neu zu erfinden – einschließlich der Bewegungen, die den Zusammenbruch der Sowjetunion vor drei Jahrzehnten herbeigeführt haben. Aus unserer Sicht ist das Wichtigste, was in turbulenten Momenten wie diesem geschehen kann, dass die Menschen eine gründlichere Analyse der Machtstrukturen entwickeln und davon was es braucht, um eine wirkliche Befreiung herbeizuführen.

Um die spezifischen Entwicklungen zu verstehen, die diese Krise in Belarus zu einem Höhepunkt gebracht haben, empfehlen wir diesen Artikel von Pramen, dem anarchistischen Kollektiv, das wir interviewt haben. Es ist auch wichtig, ihre Analyse darüber zu lesen, warum eine glaubwürdigere Wahldemokratie nicht ausreicht, um die Probleme der Menschen in Belarus anzugehen:

»Wir sollten nicht vergessen, dass Anarchist:innen nicht nur gegen diese Präsidentschaftswahlen sind, sondern gegen jede:n Präsident:in im Allgemeinen. Die belarussische Bevölkerung weiß schon lange, dass Macht jede:n korrumpiert. Lukaschenko könnte durch eine:n Oppositionspolitiker:in ersetzt werden, welche:r die Macht im Land behält und die Repression gegen seine eigene Bevölkerung fortsetzt. Wir müssen uns erheben, nicht um eine:n neue:n Präsident:in zu bekommen, sondern um ohne Präsident:innen zu leben. Die Dezentralisierung der Macht sollte ein Schlüsselfaktor für den Übergang von der Diktatur zu einer freien Gesellschaft sein.«

Autoritäre Linke haben nach den Machenschaften westlicher staatlicher Akteur:innen in diesen Ereignissen gesucht, um sie – wie andere Verschwörungsmythiker:innen – als die bösartigen Machenschaften einer einzigen allmächtigen Schatteninstanz wie der CIA zu erklären. Dennoch ist der Aufstand in Belarus für keinen der beteiligten geopolitischen Akteure besonders günstig. Obwohl er Putin die Gelegenheit gibt, Lukaschenko zu weiteren Zugeständnissen zu drängen, könnte er auch Russland destabilisieren. Er unterbricht die Versuche der Vereinigten Staaten, mehr Einfluss in der Region zu gewinnen, indem sie eine freundschaftlichere Beziehung zu Lukaschenko aufbauen. In einer Zeit, in der staatliche Gewalt, Wirtschaftskrise und eine katastrophale Pandemie die Regierungen weltweit in Misskredit gebracht haben, droht sie einen Präzedenzfall für eine Massenrevolte zu schaffen, die sich ausbreiten könnte. Viele Kommentator:innen haben angemerkt, dass die Ereignisse in Belarus als Vorlage dafür dienen könnten, was in den Vereinigten Staaten passieren könnte, wenn die Wahlen 2020 angefochten werden.

Überall auf der Welt lassen die staatlichen Strukturen die Menschen im Stich und provozieren rebellische soziale Bewegungen. Welche politischen Strömungen in diesen Bewegungen einflussreich werden, wird bestimmen, was in der nächsten Generation von Kämpfen möglich ist. Wenn es keine starken anarchistischen Strömungen gibt – oder wenn wir wegen der Beteiligung einiger reaktionärer Elemente sofort ganze Bewegungen abschreiben – werden wir es unvermeidlich machen, dass mehr Entrechtete und Verzweifelte in Ersatzbewegungen hineingezogen werden, die von Nationalist:innen, Neoliberalen und anderen autoritären Personen organisiert werden, mit katastrophalen Folgen. In der Gilets-Jaunes-Bewegung in Frankreich war es sehr wichtig, dass Anarchist:innen sich engagierten und dafür kämpften, faschistische und nationalistische Elemente darin zu marginalisieren, die versuchten, ihre Vorlage für den Widerstand gegen die zentristische Regierung Macrons zu popularisieren. Ebenso sollten wir den anarchistischen Elementen im Kampf in Belarus Ressourcen und Solidarität zukommen lassen.

Nicht jede revolutionäre Aktivität ist positiv. Als die Faschist:innen in der ukrainischen Revolution die Oberhand gewannen, war es wichtig zu verstehen, wie dies geschah und zu erkennen, dass der Sieg der Revolution kein Schritt zur Befreiung war. Aber die Zukunft des Aufstandes in Belarus ist noch ungeschrieben – er könnte unterdrückt werden, er könnte von neoliberalen Demokrat:innen oder Nationalist:innen kooptiert werden, oder er könnte zu einem Bezugspunkt für einen Aufstand der Basis werden. Was als nächstes passiert, wird auf der Weltbühne entschieden werden, da Kämpfe wie dieser auf sechs Kontinenten ausgetragen werden. Wir rufen alle, die sich um die Zukunft der Menschheit sorgen, dazu auf, die internationalen Bande der Solidarität zu vertiefen, Taktiken und Ressourcen auszutauschen und diese Kämpfe in einem globalen Kontext zu verstehen.

Für ein Update von den Protestaktionen am 11. August, lest dies. Für den 14. August gibt es einen Aufruf zu weltweiten Solidaritätsaktionen zur Unterstützung des Aufstandes.

Wir befragten Mitglieder des belarussischen anarchistischen Medienkollektivs Pramen und suchten, um eine abgerundete Perspektive zu erhalten, auch Antworten von einem anderen langjährigen belarussischen Anarchisten, der anonym mit uns sprach. In der folgenden Diskussion erkunden diese den Hintergrund der gegenwärtigen Krise, beschreiben, wie Menschen sich unter einer repressiven Diktatur organisieren können, und reflektieren über die möglichen Folgen des Aufstands.

Für den 14. August gibt es einen Aufruf zu weltweiten Solidaritätsaktionen zur Unterstützung des Aufstandes.

Interview

Gib uns einen kurzen Überblick über die Geschichte der zeitgenössischen anarchistischen Bewegung in Belarus.

Pramen: Wie einige von euch vielleicht gehört haben, wurde die anarchistische Bewegung in der Sowjetunion komplett zerstört. Die Wiedergeburt der Bewegung fand am Ende der Sowjetära statt. In den 1990er Jahren spielten Anarchistinnen und Anarchisten eine wichtige Rolle in bestimmten Graswurzelbewegungen in Bezug auf Ökologie, Arbeitskämpfe und andere Themen. Seitdem haben sich Anarchist:innen in Belarus mit verschiedenen Höhen und Tiefen organisiert. Es gibt mindestens fünf organisierte anarchistische Kollektive – das Anarchist Black Cross, Pramen, Food not Bombs, die Volnaja Dumka-Bibliothek und die Initiative »Really Free Market«. Sie alle erfüllen unterschiedliche Aufgaben innerhalb der Bewegung – von der Anti-Repressionsarbeit bis zur Organisation von Aktionen auf der Straße. Abgesehen von diesen organisierten Gruppen gibt es mehrere bekannte Blogs, die die anarchistische Bewegung unterstützen. Außerdem organisierte eine kleine Gruppe von Aktivist:innen eine Druckkooperative, die seit drei Jahren besteht.

Seit 2017 hat es viele Enttäuschungen gegeben. Damals waren die Erwartungen hoch, da die Dynamik gegen Lukaschenko zunahm. Doch dann wurde der Aufstand zerschlagen, und alle gingen zur Normalität über. Viele Menschen, die im Gefängnis saßen, kamen gebrochen heraus; für viele Anarchist:innen war Normalität nicht möglich, da Razzien, Verhaftungen und psychologischer Druck weitergingen. Einige Aktive mussten das Land aufgrund von Problemen mit dem Staatsapparat verlassen.

Doch trotz der Enttäuschung und dieser harten Schläge organisierten sich Anarchist:innen weiter. Die Bewegung ist überhaupt nicht groß – im ganzen Land gibt es mehr oder weniger 100 organisierte Anarchist:innen. Rechne noch ein paar Hundert Sympathisant:innen hinzu – das ist alles in einem Land mit 10 Millionen Einwohner:innen. Die Ereignisse des Jahres 2017 haben jedoch auch den organisierten liberalen und nationalistischen Gruppen einen Schlag versetzt; sie waren davor nicht stark, und danach haben die meisten Oppositionsparteien alle Straßenaktivitäten eingestellt. Seit 2017 sind Anarchist:innen höchstwahrscheinlich die einzige aktive Kraft, die noch auf den Straßen agitiert. In unserem Kollektiv haben wir Medien- und Agitationsarbeit geleistet. Einige andere Gruppen organisierten öffentliche Veranstaltungen mit antikapitalistischer und antiautoritärer Ausrichtung.

Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass die belarussische anarchistische Bewegung, was den sozialen Kontext betrifft, nicht viele Student:innen umfasst. Sie setzt sich zumeist aus verschiedenen Teilen der Arbeiterklasse zusammen.

 

»Belvirus«: Anarchist:innen hängten in Minsk Plakate auf, auf denen Lukaschenko für die katastrophale Ausbreitung von COVID-19 in Belarus verantwortlich gemacht wird.

Wie haben sich Anarchist:innen in Belarus trotz der Repression weiter organisiert? Hast du einen Rat für Anarchist:innen in anderen Teilen der Welt, die noch nicht die gleiche Art von Repression erlebt haben – aber vielleicht in den kommenden Jahren erleben werden?

Pramen: Die Anarchist:innen in Belarus haben in den letzten Jahren viele interessante Taktiken angewandt. Zunächst einmal sind die meisten der radikalen Kollektive völlig in den Untergrund gegangen. Niemand darf zum Beispiel wissen, wer Teil unseres Kollektivs ist. Dieselbe Regel gilt auch für andere Gruppen. Wir organisieren bestimmte Aktionen gemeinsam – zum Beispiel die Proteste im Moment – aber alle beteiligen sich auf der Straße als Einzelpersonen oder Bezugsgruppen, nicht in einer Organisationsstruktur. Das macht die Zusammenarbeit zwischen den Gruppen kompliziert, aber es schützt uns davor, in eine Situation zu geraten, in der ein Spitzel in einer Gruppe die Infrastruktur der gesamten Bewegung kennt.

Anarchistische Straßenaktionen haben ein Zeitlimit – die maximale Zeitspanne, die wir haben, bevor die Polizei kommt, beträgt normalerweise etwa 10 – 15 Minuten.

Die Arbeit im Untergrund macht es schwierig, neue Leute in die Bewegung zu integrieren. Deshalb fungieren einige der Gruppen als Einstiegspunkte für Anarchist:innen – z.B. kann jede:r ein Punkkonzert besuchen und dadurch Schritt für Schritt Wege kennenlernen, an der organisierte anarchistische Bewegung teilzunehmen.

Es ist jedoch auch wichtig zu erwähnen, dass bestimmte Leute aus dem Untergrund herauskamen, um als öffentliche Person zu fungieren. Sie geben Interviews, sprechen mit den Medien und machen Youtube-Videos zu verschiedenen Themen. Sie haben zwar von Zeit zu Zeit Probleme mit der Polizei, aber es scheint, dass es bestimmte Dinge gibt, die Menschen immer noch ausdrücken können. Der Aufruf zur Revolution mag problematisch sein, aber der Aufruf zur direkten Demokratie und Dezentralisierung der Macht scheint in Ordnung zu sein.

Die langjährige Existenz des Anarchist Black Cross in Belarus macht einen wichtigen Punkt deutlich: Du kannst dich auf seine Gefährt:innen nicht nur verlassen, wenn du direkte Aktionen machst oder an Protesten teilnimmst, sondern auch, wenn du hinter Gittern landest. Dies ist ein wichtiger psychologischer Faktor, der die Bewegung stark macht. Natürlich sind sich diejenigen, die sich den Anarchist:innen anschließen, vom ersten Tag an der Möglichkeit der Repression bewusst. Es sind also nicht nur normale Student:innen, die gerade Zeit haben und sich entschlossen haben, sich in die Politik zu begeben. Die Leute sind sich bewusst, dass sie selbst für kleine Dinge ins Gefängnis kommen können. Und sie organisieren ihr Leben entsprechend:

  • Du lernst deine Wohnung sauber zu halten, so dass nichts darin gegen dich verwendet werden kann.
  • Du lehrst und lernst Sicherheitskultur – sowohl physisch als auch virtuell.
  • Du lernst deine Gefährt:innen in schwierigen Situationen kennen, und das schafft Bindungen, die stärker sind als Stahl.

https://twitter.com/bad_immigrant/status/1292956645002280960

Wie ist die Zusammensetzung der Bewegung um die Wahlen im August in Belarus? Was sind politischen Ambitionen der Teilnehmer:innen? Wie ist das Kräfteverhältnis zwischen diesen?

Pramen: Dieser Wahlgang ist eine Scheiß-Show. Viele Oppositionspolitiker:innen waren sogar gegen den Plan für die Proteste. Sie forderten die Menschen auf, zu Hause zu bleiben und auf einen besseren Zeitpunkt zu warten, um sich zu erheben. Viele aus der älteren Generation wurden angewiesen, zu Hause zu bleiben und keinen Provokationen zu folgen.

Auf der anderen Seite füllte sich das Vakuum, das durch diese politische Entscheidung entstand, mit Bloggern, kleineren Gruppen und Telegrammkanälen. Infolgedessen verlagerte sich die Zuständigkeit von den politischen Parteien auf die Bevölkerung. In diesem Sommer wurde die Bewegung gegen Lukaschenko so massiv, dass die Anarchist:innen nur noch einen winzigen Teil all dessen darstellten, was vor sich ging.

Und was vor sich ging, war nicht mit klaren politischen Forderungen verbunden. Es gab keine politischen oder wirtschaftlichen Plattformen, die um die Wahlen herum aufgebaut wurden und die Privatisierung oder Verstaatlichung oder irgendetwas anderes in der Art forderten. Stattdessen organisierten sich die Menschen gegen die Diktatur, um sie zu stürzen. So einfach ist das. Und dieser einfache Vorstoß hat viele Menschen angezogen. Heute ist die Frustration über Lukaschenko größer denn je. Gegenwärtig ist es keiner politischen Gruppe, Organisation oder Partei gelungen, mit diesem Protest zu Popularität zu gelangen.

Deshalb kann der Aufstand gegen Lukaschenko vorerst noch in jede Richtung gehen, je nachdem, wer auf den Straßen präsent ist.

Gleichzeitig ist es erwähnenswert, dass es auf einigen großen Medienplattformen Forderungen nach direkter Demokratie gibt. Zumindest einige Menschen in Belarus verstehen zwar, dass Lukaschenko ein Diktator ist, aber die Diktatur ist eine komplizierte Maschine. Wenn wir diese Maschine einfach in die Hände eines anderen Präsidenten geben, könnte sich das Szenario einfach wiederholen.

Anonym: Das politische Leben in Belarus ist durch die Jahre der autoritären Herrschaft zerstört worden. Die bestehenden Parteien existieren nur um der Existenz willen – die Menschen kennen sie kaum und vertrauen ihnen nicht. Daher der klassische Witz: Wenn du dich jemals nutzlos fühlst, denk einfach daran, dass es in Belarus einen Ministerpräsidenten gibt. Politische Parteien spielen hier keine Rolle. Reguläre politische Modelle der Entscheidungsfindung funktionieren nicht.

Wahrscheinlich ist eines der Dinge, die die Menschen vereinten und ihnen halfen, eine mächtige Bewegung zu schaffen, der fast unpolitische Charakter dieses Kampfes während der Wahlen. Die Menschen sahen etwas anderes als die üblichen Possen. Tichonowskaja, die Hauptrivalin Lukaschenkos bei dieser Wahl, erschien aus dem Nichts als Hausfrau, die die Nachfolge ihres inhaftierten Mannes antrat und deren einziges politisches Programm darin bestand, ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt als Präsidentin faire Wahlen zu organisieren. Nachdem die Menschen 26 Jahre lang in einem »Sozialstaat« überlebt haben, glauben die Menschen nicht an den Sozialismus. Nach der langen sowjetischen Geschichte und der anhaltenden prokommunistischen Rhetorik im Fernsehen und im täglichen Leben stehen die Menschen dem Kommunismus skeptisch gegenüber. Was die Menschen wollen, ist ein Ende der Jahre der Unterdrückung – sowohl der ideologischen und wirtschaftlichen, aber vor allem der wirtschaftlichen. Politisch engagieren sie sich überhaupt nicht. Es gibt einige politische Akteur:innen im Hintergrund dieser Ereignisse, aber sie sind fast unsichtbar.

Leider können wir fast dasselbe über Anarchist:innen sagen – aufgrund der geringen Zahl von ihnen und der Konzentration auf das Innere der Bewegung können Anarchist:innen diesen Protest nicht wirklich übernehmen und anführen. Obwohl ich den Beitrag der Anarchist:innen keineswegs unterschätzen möchte – trotz der geringen Zahl haben sie es geschafft, die Proteste durch neue Ansätze und Techniken zu beeinflussen.

Wir haben gehört, dass Anarchist:innen, zumindest einem Reporter von Belsat TV zufolge, bei den Protesten vom 9. August in Minsk eine wichtige Rolle gespielt haben. Stimmt das?

Pramen: Anarchist:innen spielen bei diesen Protesten eine ziemlich wichtige Rolle. Wir sehen organisierte Gruppen, die Barrikaden errichten und versuchen, größere Gruppen von Menschen dazu zu bewegen, sich in der Stadt zu bewegen und gegen die Polizei zu kämpfen, wo es notwendig ist.

Aber selbst das wird überschattet von der Kreativität, die die Bevölkerung auf den Straßen zeigt. Was wir in der anarchistischen Bewegung Affinitätsgruppen nennen, ist etwas, das in der Gesellschaft ganz natürlich existiert – Freund:innen gehen gemeinsam zum Protest, und ziemlich oft sprechen sie vorher darüber, was sie tun sollen. So sieht man auf den Barrikaden, die gegen die Bullen kämpfen, viele junge Leute, die keiner politischen Strömung angehören.

Was die Strategie betrifft… Das Hauptziel ist sehr einfach – den Diktator zu stürzen. Durch die Teilnahme an den Protesten sollen die Ideen der horizontalen Organisation und der Dezentralisierung verbreitet werden. Sogar während der Zusammenstöße verteilen die Menschen immer noch die Flugblätter an die Demonstrant:innen im hinteren Teil der Menge. Es wird geglaubt, dass, wenn es den Menschen gelingt, Lukaschenko ohne Politiker:innen und große Führer zu stürzen, dies den autoritären Tendenzen im Land einen mächtigen Schlag versetzen wird. Es wird auch der Selbstorganisation und Solidarität in dieser Gesellschaft einen enormen Auftrieb geben.

Jede:r versteht, dass diese Revolution keine libertäre sein wird. Wir werden nicht in der Lage sein, den Staat zu Fall zu bringen. Als Anarchist:innen können wir jedoch versuchen, unsere Ideen so stark wie möglich durchzusetzen, um auf der anderen Seite mit mehr Schwung in Richtung Freiheit herauszukommen.

https://twitter.com/bad_immigrant/status/1293231654744535042

Was sind die verschiedenen Szenarien, wie dieser Showdown zwischen Lukaschenko und den Protestierenden verlaufen könnte?

Pramen: Wir hoffen nur auf ein Szenario – dass Lukaschenko erledigt ist. Je nach dem Grad der Gewalt könnte er getötet werden, oder man könnte ihm einfach den Schnurrbart abrasieren. Oder er könnte fliehen – das ist den meisten seiner Freunde aus dem Ostblock passiert, die gestürzt wurden. Das ist das Szenario, für das wir alle kämpfen.

Es gibt noch ein anderes Szenario: Lukaschenko bleibt. In diesem Fall wird es massive Repressionen geben, nachdem die Proteste nachgelassen haben. Hunderte von Menschen werden strafrechtlich verfolgt und zu vielen Jahren Gefängnis verurteilt werden. Die Liste der politischen Gefangenen wird sehr schnell anwachsen. Anarchist:innen werden mit Sicherheit darauf stehen.

Die Repression wird jedes politische Leben im Land zerstören. Alles, was eine Bedrohung für die Regierung darstellen kann, wird zerstört werden. Es ist nicht klar, ob die anarchistische Bewegung diese Repression überleben wird, da die meisten Gruppen tatsächlich vollständig betroffen sein werden.

Der Zusammenbruch der Bewegung wird die belarussische Gesellschaft in den Niedergang stürzen. Viele Menschen werden mit Sicherheit aus dem Land fliehen. Wenn es keinen politischen und sozialen Druck gibt, wird die Wirtschaftskrise das Einkommen der Menschen sinken lassen und die arbeitende Bevölkerung vor neue Herausforderungen stellen.

Aber wir wollen nicht über das Worst-Case-Szenario nachdenken, denn wir kämpfen für das Best-Case-Szenario – und wir alle wissen, dass es keinen Weg zurück gibt.

Wie wird sich der Weggang von Tichanouskaya auf die Bewegung auswirken?

Anonym: Die Menschen kämpfen meist für sich selbst, für ihre Freiheit und ihr Leben. Manche betrachten Tichanouskaya immer noch als eine Präsidentin im Exil. Manche haben sich nie wirklich darum gekümmert. Was allen im Moment am meisten am Herzen liegt, ist das Schicksal der Gefangenen und die Verantwortung, den Kampf für diejenigen weiterzuführen, die ihr Leben oder ihre Gesundheit geopfert haben. Alles hängt also vom Geist der Menschen ab, glaube ich – davon, ob sie bereit sind, den Kampf trotz aller Gewalt und Grausamkeit, die sie jetzt erleben, weiterzuführen.

Wir haben gesehen, dass Russland Lukaschenko in dieser Situation nicht vorbehaltlos unterstützt hat. Wie seht ihr Putins Strategie hier? Welche Folgen hätte es für Russland und andere Länder der Region, wenn die Demonstrant:innen Lukaschenko von der Macht verdrängen würden?

Pramen: Es ist nicht klar, was in Putins Kopf vor sich geht. Es könnte sein, dass er nur darauf wartet, dass Lukaschenko schwächer wird, um eine Vereinbarung zu treffen, die Belarus zu einer Art Vasallenstaat machen würde. Gleichzeitig ist Putin sehr enttäuscht über die Geschehnisse in der Ukraine und in Syrien – die Pläne seiner politischen Analysten funktionieren nicht so, wie er es erwartet hat. Letzten Endes hindert ihn nichts daran, die russische Armee in Belarus einmarschieren zu lassen und zu verkünden, dass es zu Russland gehört.

Putin spielt seit langem mit Lukaschenko mit dem Ziel, Belarus wieder in den russischen Staat zu integrieren. Das hat nie geklappt, also könnte es sein, dass es eine politische Entscheidung gibt, Lukaschenko nicht zu unterstützen, sondern zu versuchen, die Ereignisse geschickt zu steuern. Wenn Putin Lukaschenko mit allem, was er hat, unterstützt und Lukaschenko trotzdem verliert, wird sich die belarussische Gesellschaft im Augenblick völlig gegen Moskau wenden. Daher könnte es für Putin eine gute Taktik sein, Distanz zu wahren, bis die Dinge klarer sind.

Anonym: Putin war einer der ersten, der Lukaschenko zu seinem Sieg gratulierte und die Ergebnisse der Wahlen bestätigte. In seiner Botschaft rief er dazu auf, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu verstärken. Lukaschenkos Position ist im Moment sehr schwach. Mit der Brutalität, mit der er bei den Wahlen vorgegangen ist, hat er jegliche Unterstützung und diplomatischen Druckmittel gegenüber der Europäischen Union verloren. Jetzt braucht er die Unterstützung seines großen östlichen Bruders. Dies ist eine sehr günstige Situation für Russland. Ohne weitere Kosten kann Russland seinen Einfluss auf Belarus ausdehnen. Es scheint möglich, dass Putin alles tun wird, um Lukaschenko an der Macht zu halten, einschließlich der Entsendung von Streitkräften zur Niederschlagung der Proteste.

Wenn Lukaschenko durch die Proteste von der Macht gedrängt wird, gibt es gleichzeitig zu viele Faktoren, als dass man sie für Prognosen in Betracht ziehen könnte. Das Szenario variiert von militärischer Intervention und Invasion bis hin zu Russland, das die neue Situation in Belarus anerkennt, ohne einzugreifen.

Gibt es etwas, was ihr den selbsternannten »Antiimperialisten« im Westen, die Lukaschenko unterstützen, sagen möchtet?

Pramen: Nun… es könnte eine lange Antwort geben. Wir könnten zum Beispiel erklären, dass Lukaschenko Teil des imperialistischen russischen Projekts in dieser Region ist. Er wird von Moskau wegen seiner Loyalität zum Kreml unterstützt – und es ist nichts »Antiimperialistisches« an einem Präsidenten, der durch den Willen des Imperiums an der Macht ist, das die Macht in der Region innehat. Ich glaube, dass die Art von Kritiker:innen, die du beschreibst, auch die sozialen Leistungen lieben, die der Staat angeblich in Belarus anbietet. Wenn du jedoch Nachforschungen anstellst, wirst du feststellen, dass Lukaschenko in Wirklichkeit derjenige ist, der seit Jahren Sozialprogramme in diesem Land zerstört und gleichzeitig die Menschen daran hindert, sich in irgendeiner Form selbst zu organisieren. Wir könnten die Dinge stundenlang weiter erklären.

Aber weißt du was? Autoritäre Linke hören keine Argumente. Sie sind Gläubige. Sie glauben an ihre »Wahrheit« genauso, wie manche Menschen an eine Religion glauben. Egal, wie viele gute Argumente du einbringen könntest, sie werden ihre ursprüngliche Position beibehalten.

Wir können also zur kurzen Antwort übergehen: »Go fuck yourself!« Aber ihr könnt auch konstruktivere Dinge auf unserer Website lesen 🙂

Anonym: Wenn Lukaschenko die Chance hätte, würde er sein eigenes Imperium aufbauen. Wenn du seine Reden verstehen könntest, würdest du erkennen, dass er an Größenwahn leidet – oder »leidet« ist wahrscheinlich das falsche Wort, denn er genießt ihn. An dieser politischen Figur ist in keiner Weise etwas Antiimperialistisches.

Wir haben von einigen »Antiimperialist:innen« gehört, die behaupten, die Bewegung in Belarus bestehe aus Faschist:innen. Es gibt Behauptungen, dass zum Beispiel die Fahne, die viele Demonstrant:innen schwenken, mit der Besetzung von Belarus durch die Nazis in Verbindung gebracht wird.

Anonym: Die erste dokumentierte Verwendung der weiß-rot-weißen (WRW) Flagge geht auf das vierzehnte Jahrhundert zurück. Sie wird heute als Symbol der belarussischen Selbstbestimmung im Gegensatz zur modernen Staatsflagge und im Gegensatz zu Lukaschenkos Belarus verwendet, da Lukaschenko derjenige war, der die heutige offizielle Flagge von Belarus angeordnet hatte.

Ich verstehe, woher das Argument kommt, das die Flagge mit Nazis in Verbindung bringt. Es gab eine sehr komplizierte Situation während der Besetzung von Belarus durch deutsche Faschist:innen im Zweiten Weltkrieg. Belarus wurde damals stark von der sowjetischen Regierung unterdrückt, die versuchte, die belarussische nationale Identität zu zerstören. Zum Beispiel führte die Sowjetregierung 1933 eine brutale und ungerechtfertigte Reform der belarussischen Sprache durch, bei der das Alphabet vom Lateinischen (ein Alphabet, das dem Polnischen sehr ähnlich ist) in das Kyrillische umgewandelt wurde. Viele Menschen erlebten Repressionen. Unter diesen Bedingungen, als sich die deutsche Armee näherte und die sowjetische Regierung in Panik evakuiert wurde, versuchten einige Menschen, einen so genannten belarussischen Zentralrat zu schaffen. Sie waren Kollaborateur:innen, obwohl ihre Motive nicht darin bestanden, die deutschen Nazis zu unterstützen und willkommen zu heißen, sondern die Chance zu ergreifen, eine national souveräne Einheit zu schaffen. Der Rat existierte weniger als zwei Jahre lang. Menschen, die heute die WRW-Flagge führen, sind sich dieser historischen Ereignisse oft gar nicht bewusst. Die WRW-Flagge ist eine Nationalflagge, die im Laufe der Geschichte zu verschiedenen Zeiten der Unterdrückung durch viele Revolutionär:innen verwendet wurde und im Bewusstsein der belarussischen Bevölkerung nichts mit deutschen Nazis zu tun hat.

Ich würde eine Parallele zu Kurdistan ziehen. Es gibt die Staatsflagge Syriens und das syrische Regime – und es gibt die Flagge Kurdistans. Genauso haben wir die Staatsflagge von Lukaschenko – die nur während seiner Präsidentschaft verwendet wurde, so dass die Menschen es vermeiden, sie zu benutzen, besonders in diesem Kampf, in dem sich alles darum dreht, ihn abzusetzen – und die nationale und historische Flagge, die weiß-rot-weiß ist.

Sicherlich gibt es bei den Demonstrationen Menschen mit einer Vielzahl unterschiedlicher politischer Ansichten. Die meisten von ihnen definieren sich überhaupt nicht politisch. Wenn Bergarbeiter:innen in den Streik treten, weil sie mit der korrupten Staatsregierung und der Ausbeutung, in die ihre Chefs verwickelt sind, nicht einverstanden sind, versuchen wir dann, ihre genaue politische Identität als Kommunist:innen, Anarchist:innen oder Liberale zu bestimmen? Der Versuch, diese riesige Menschenmenge von Hunderttausenden von Menschen zu definieren, die im letzten Vierteljahrhundert unter Erniedrigung, Ausbeutung und Unterdrückung gelitten haben, erscheint mir lächerlich. Für mich gibt es einen offensichtlichen Faschisten: Lukaschenko.

Was können Anarchist:innen in anderen Teilen der Welt tun, um Gefährt:innen in Belarus zu unterstützen? Gibt es konkrete Strukturen, um diejenigen zu unterstützen, die jetzt Repressionen ausgesetzt sind? Gibt es Druckpunkte, auf die sich die internationale Solidarität konzentrieren könnte?

Pramen: Solidaritätsaktionen durchführen. Viele Solidaritätsaktionen. Schickt uns Bilder von euren Solidaritätsaktionen. Die Unterstützung von außen inspiriert nicht nur die Herzen der Anarchist:innen, sondern die Herzen aller Menschen auf der Straße. Die Menschen sehen, dass sie nicht allein sind. Nachdem du diesen Text gelesen hast, mal einfach ein ganz einfaches Transparent, versammel dich mit Freund:innen und mache ein Foto. Das wird höchstens ein paar Stunden dauern.

Wenn ihr mehr Zeit und Energie habt, seid kreativ. Belarus ist ein kapitalistischer Staat. Es gibt eine Menge Botschaften und andere Punkte, die den belarussischen Staat repräsentieren. Im Jahr 2010 besetzten in Russland einige wagemutige Anarchist:innen die belarussische Botschaft. Das kann eine der Ideen sein, die auf dem Tisch liegen. Seid kreativ – und durch eure Kreativität werden wir wissen, dass ihr in eurer Solidarität ehrlich seid!

Und wenn du technisch versiert bist, fang an, uns bei Problemen mit dem Internet zu helfen. In Belarus haben heutzutage Menschen mit Geld leichteren Zugang zum Internet als Basisaktivist:innen. Kostenlose VPN- und andere Lösungen funktionieren nicht, und wir brauchen dabei viel Hilfe, da der Mangel an Internet uns große organisatorischen Möglichkeiten nimmt.

Anonym: Obwohl kaum realistisch, wäre es die beste Unterstützung, zu kommen und durch direkte Teilnahme an den Protesten zu unterstützen. Wir brauchen mutige und entschlossene Menschen an unserer Seite. Ein anderer Weg ist der Austausch von Erfahrungen und Ideen mit den Protestierenden – wir brauchen eure Phantasie und Kreativität!

Wir brauchen auch informationelle Unterstützung – viele Menschen wissen nicht viel über Belarus und die reale Situation hier. Die Realität, die Mentalität und die Denkweise sind im postsowjetischen Kontext, der den Kampf hier prägt, anders. Sehr oft verstehen die Menschen die Unterschiede zwischen dem politischen Leben hier und im Westen nicht.

Nicht zuletzt könntet ihr Massenproteste in euren eigenen Ländern organisieren. Wir sind alle miteinander verbunden. Was wir zu jedem Zeitpunkt vor allem brauchen, ist ein weltweiter Kampf.

Du kannst auch durch das Anarchist Black Cross Belarus. unterstützen.

Bitte listet die Websiten und Social Media-Accounts auf, die die Menschen verfolgen sollten, um verlässliche Nachrichten über Ereignisse in Belarus zu erhalten, insbesondere aus antiautoritärer Perspektive.

Pramen: Websites zum folgen:

pramen.io – Anarchistisches Medienkollektiv

abc-belarus.org – Anarchist Black Cross Belarus

In beiden Fällen wird auch auf Englisch geschrieben; andere Kollektive schreiben in sozialen Netzwerken nur auf Russisch. Auf diesen Websites findet ihr Links zur Präsenz in sozialen Netzwerken. Wir tun unser Bestes, um die Leute auf dem Laufenden zu halten!

Was Privatpersonen betrifft, so könnt ihr @bad_immigrant auf Twitter oder chaos.social mastodon instance folgen. Er twittert gerade auf Englisch über die Situation.

Folgt dem Hashtag #belarus in den sozialen Netzwerken.

Übersetzt russische Texte mit https://www.deepl.com/translator – da werdet ihr auch lesbare Ergebnisse erhalten.

Spendet für ABC-Belarus, denn es wurden bereits über 5000 Menschen inhaftiert und keine:r weiß, wie viele es bald noch mehr sein werden.

Und hoffen wir, dass in ein paar Tagen Lukaschenko fällt und es ein riesiges Fest geben wird, auf dem wir unserer Toten gedenken und die Lebenden feiern werden!

Wir sehen uns auf den Barrikaden, Gefährt:innen!

Anonym: Im Moment gibt es auch viele Telegrammkanäle, auf denen Menschen in Echtzeit Videos und Fotos vom Schauplatz der täglichen Proteste einstellen. Das sind keine anarchistischen Räume, aber sie können dazu beitragen, ein allgemeines Bild davon zu vermitteln, was gerade auf den Straßen vor sich geht:

[Österreich] Solidarity from Vienna to the protests in Belarus

Samstag, August 15th, 2020

Quelle: emrawi

Report about a spontanouse demonstration in Vienna. – Bericht über eine spontane Kundgebung in Wien. – Uchadi! Uchadi!

*english*

Since 1994 Belarus is a dictatorship. Its face is Lukaschenko. On 9th August 2020, the day of the „election“ of the regime, thousands of people in Belarus went out on the streets to express themselves and fight for their right for a better life. Although it started as an extremely peaceful demonstration, Lukashenko gave the command to shoot people, beat them up and imprison them. At the end of this election day a few protestors were dead, hundreds injured and thousands imprisoned. Workers in Belarus went on strike. Yesterday and today the fight continued!

(mehr …)

[Überall] Aufruf zu Solidaritätsaktionen mit dem Aufstand gegen das Lukaschenko-Regime – 14. August

Mittwoch, August 12th, 2020

Quelle: abc dresden

Zum ersten Mal in der Geschichte von Belarus rebellieren Menschen im ganzen Land gegen die Diktatur. Viele Tausende von Demonstrationen finden nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in Kleinstädten statt. Die Menschen gehen auf die Straßen und protestieren nicht nur friedlich gegen die Autorität, sondern kämpfen gegen den Staatsapparat – sie helfen Freund:innen und Mitstreiter:innen und gehen in den Konflikt mit der Polizei. (mehr …)

[Chile] Über Orwell und der Fall von Mónica und Francisco

Mittwoch, August 12th, 2020

Quelle: panopticon

Dass jede Metropole alle Kriterien eines Panoptikum erfüllt, nun, dass wäre ja wirklich nichts neues. Es ist nur noch eine Frage welche Stadt eine höhere Dichte an Überwachungstechnologie zur Verfügung hat und wie intensiv diese auch genutzt wird.

Daher ist es naheliegend dass Orwell´s Vorstellungen von einer komplett überwachten Gesellschaft richtig lagen, aber nicht in der Dimension wie er es sich vorgestellt hat, genauso wie die Grundlage dafür. Vor allem es benötigt nicht die Diktatur, die für ihn eine wichtige Grundlage dieser kompletten Überwachung wäre, um diese zu bewerkstelligen. Die komplette Überwachung ist daher nicht ein Ausdruck eines spezifischen Systems des Kapitalismus, sondern es ist inhärent zu seiner politischen Verwaltung und Artikulation, nämlich den Staat. Es ist also eine falsche Dichotomie, wenn wir denken, dass die komplette Überwachung nur das Resultat eines „autoritäreren“ Systems wäre. So eine Denkweise speist sich nur aus dem Wunsch und der Ideologie dass der Staat in besseren Händen eine menschenfreundliche Maske tragen könnte. Dies sehen wir auch gerade mitten in der Debatte um den Coronavirus, wo linke Gruppen, aber auch Anarchist*innen, das Rascheln der Säbel der Repression, der Einführung von Ausgangssperre, von Quarantäne, usw., als eine faschistoide Entwicklung sehen und nicht verstehen wollen, dass der Staat, egal welcher – ob demokratisch oder anderweitige Versionen -, solche Mechanismen und Gewalten (als Monopol) in sich immer trägt um sein Überleben zu garantieren. Die politische Verwaltung und die Organisation des Staates bleibt immer dieselbe, nur die Kriterien und die Ideologien der politischen Kräfte die an der Macht sind, ändern sich, dies wäre keine falsche Dichotomie mehr.Sprich, der Staat hat historisch alle Mittel benutzt die ihm zur Verfügung standen um einen reibungslosen Ablauf seiner Geschäfte zu garantieren. Der Staat-Nation ist daher die logische Folge, sowie die Klassengesellschaft, des Kapitalismus und nicht andersrum.

Dies immer wieder zu sagen betrachten wir als wichtig, weil wir werden nicht müde darüber immer wieder die Grundlage des Staates und des Kapitalismus verstehen zu wollen um diesen real zerstören zu können. Es gibt viel zu viele törichte historische Beispiele die uns zeigen welche Wege eingeschlagen werden, wenn dies nicht vom Anfang an klar ist.

Nun zu dem Fall von Mónica und Francisco

Am 24. Juli wurden Mónica Caballero und Francisco Solar in Chile verhaftet. Wir haben uns intensiv mit deren Haftprüfungstermin, der live im Fernsehen ausgestrahlt wurde, auseinandergesetzt. Diese Haftprüfung ist in keiner Weise vergleichbar mit denen, was wir aus Deutschland oder anderen EU- Staaten kennen. Wenn wir daran denken, dass so eine Haftprüfung hier 10 Minuten ungefähr dauert, um einfach nur zu klären, ob eine beschuldigte Person in Untersuchungshaft kommt, weil z.B. Fluchtgefahr oder Verdunklungsgefahr besteht, ist das in Chile anscheinend anders. Uns ist nicht klar, ob es immer eine Live Übertragung im Fernsehen gibt, oder ob es an den Corona Maßnahmen liegt.

Kurz wollen wir euch noch sagen, wer Mónica und Francisco sind. Monica und Francisco sind zwei AnarchistInnen und beide wurden 2010 in Chile schon mal verhaftet, weil sie angeblich mehrere Sprengstoffanschläge begangen haben sollen. Bekannt wurde der Fall als „Caso Bombas“ (Bomben-Fall), bei dem etwa ein Dutzend von Personen beschuldigt wurden. Beide wurden nach acht Monaten Untersuchungshaft freigelassen und das Verfahren wurde eingestellt. 2013 wurden beide in Barcelona festgenommen und zu 12 Jahren Haft verurteilt, was später auf 4 Jahren und 6 Monaten Haft reduziert wurde, weil sie in Zaragoza angeblich einen Sprengsatz im Dom „El Pilar“ deponierten, der auch explodierte. Nach 3 Jahren und 6 Monaten wurden sie nach Chile abgeschoben, zusätzlich erhielten sie ein Einreiseverbot nach Spanien für die nächsten acht Jahre.

Um euch einen Einblick geben zu können, probieren wir euch zu beschreiben was bei dieser Haftprüfung alles passiert ist.

Wie schon kurz erwähnt wurden Mónica und Francisco am 24. Juli verhaftet und am 26. Juli begann der Haftprüfungstermin, der gute 4 Stunden dauerte. Anwesende Personen bzw. VertreterInnen von diversen Institutionen, von denen einigen auch als Nebenkläger vertreten waren: die Richterin, die Staatsanwaltschaft, das Innenministerium, die chilenische Post, das Rathaus von Santiago de Chile und die AnwältInnen von beiden Beschuldigten.

Die Richterin begann mit der Frage, ob die Verhaftung mit oder ohne Gewalt von statten ging. Beide sagten, dass sie auf den Boden gebracht wurden und keine Gewalt angewendet wurde, beiden wurde der Grund für Verhaftung mitgeteilt und ein Haftbefehl wurde ausgehändigt. Die Wohnungen wurden sofort durchsucht. Dies ist der einzige Moment bei dem beide, also Mónica und Francisco, zu Word kommen werden.

Die Staatsanwaltschaft erläuterte bis ins Detail was den beiden vorgeworfen wird.

Am 25. Juli 2019 kam eine Briefbombe in der Polizeiwache von Huechuraba, die durch eine Postbotin abgeben wurde, an. Diese explodierte in einem Büro eines Beamten, dadurch wurden zwei Personen schwerverletzt, eine etwas weniger und fünf Personen wurden leicht verletzt. Was für uns in diesem Moment überraschend war, dass alle Polizisten, mit Namen und Bildern gezeigt wurden die von dem Anschlag betroffen waren. Nun fing die Staatsanwaltschaft an, Videoaufnahmen von verschiedenen Perspektiven vom Tag zuvor zu zeigen, die den Beschuldigten angeblich zeigt, wie er bei der Post zwei Pakete abgibt. Die Kleidung wird beschrieben, ein Bewegungsprofil wird angefertigt, wo eine Menge an Taxis benutzt worden sei, alle Nummernschilder, Namen, welche Strecken gefahren wurden und die dazugehörigen Preise wurden ausgewertet, hinzu kommt dass alle TaxifahrerInnen als ZeugInnen vernommen wurden.

Da auf dem explodierten Paket, der Aufkleben nicht zerstört wurde, konnte schnell nachvollzogen werden, wo und wann das Paket abgeben wurde. Der Name des Absenders der Pakete soll ein Polizist gewesen sein. Deswegen ist ein Anklagepunkt, die Zweckentfremdung von Namen. Es wurde ein Handschriftenvergleich gemacht und dabei soll es positiver Treffer mit Francisco seiner Handschrift gegeben haben.

Auf einem Video soll man sehen, wie er in ein Taxi steigt und damit in die Stadt fährt. Der Fahrer konnte gefunden werden und den Angeklagten beschrieben haben. Da der Taxifahrer immer mit Google Maps fährt, waren alle Standpunkte gespeichert. Auf einem Video wird angeblich gesehen, wie er seine Kleidung wechselt und mit einer Tasche unterwegs ist, daraufhin wird nach der Kleidung gesucht, die in einem Mülleimer am 28. Juli 2019 angeblich gefunden wird. Die Müllabfuhr und die NachbarInnen sagten aus, dass dieser Mülleimer nie geleert wird. Dort wurde eine Mütze gefunden, die auch auf dem Video der Post zu sehen ist, an dieser wurde eine männliche DNS gefunden, sowie auch auf den anderen Kleidungsstücken, die aber auch misch DNS hatten.

Am selben Tag gab es noch eine Briefbombe die an den Ex Innenminister gesendet wurde, diese wurde geröntgt und an der Rezeption abgegeben. Sie wurde entschärft und an dieser soll angeblich Francisco seine DNS gefunden worden sein.

Der zweite Akt, laut der Staatsanwaltschaft, der stattgefunden hat, ereignete sich am 27. Februar 2020. Zwei Bomben wurden in einem Park platziert und explodierten zeitverzögert. Beiden wird vorgeworfen, eine Bombe hochgehen zu lassen, um die Polizei anzulocken, damit die zweite Bombe 25 Minuten später hochgeht um Polizisten damit zu töten. Dies geht auch aus dem Bekennerschreiben dieser Aktion hervor.

Nun ist es wie vorhin auch schon beschrieben, es werden TaxifahrerInnen vernommen, unzählige Kameraaufnahmen ausgewertet, Bewegungsprofile erstellt. Dabei ist interessant zu sehen, wie die Polizei ermittelt. Mónica wird z.B. beschuldigt, vier Anrufe getätigt zu haben, wo vor den Bomben gewarnt wird. Jedoch konnte laut der Polizei darauf nicht reagiert werden, wegen der wenigen Informationen die diese Telefonate vermittelten. Auf jedenfall sollen diese Anrufe immer vom gleichen Handy gemacht worden sein und von der selben Funkzelle erfasst worden sein, die in einer Entfernung von 1400 Metern stattgefunden haben. Von ihr soll es auch unzählige Kameraaufnahmen geben. Wenn sie mal nicht zu sehen ist, wird nachgeforscht welcher Bus, welche Strecke gefahren ist, so die Staatsanwaltschaft. Da alle Fahrkarten in einem internen Bussystem gespeichert werden, kann herausgefunden werden, wann und wo diese gekauft worden ist. Von daher konnte angeblich nachvollzogen werden, von wo nach wo sich Mónica bewegte. Im ganzen Fall spielt die Kleidung beider Beschuldigten, denn sie sollen sie mehrfach gewechselt haben, eine große Rolle. Im Verlauf der Haftprüfung betont die Staatsanwaltschaft dies mehrfach, genauso wie dass die Beschuldigten ihr Äußeres mit Perücken, Schnurrbart, Verkleidung (Änderung des Aussehens z.B., durch falsche Bäuche, falsche Nase) und Schminke änderten.

Weiterhin wurden als Beweisstücke auch die Internetseiten vorgeführt bei denen die Bekennerbriefe der Aktionen veröffentlicht wurden, es geht hier um die anarchistische und mehrsprachige Seite Contrainfo, was auch bei der Aktion in Spanien 2013 benutzt wurde.

Beim Fokus auf die Verwendung von Mobiltelefonen, spielte auch der Kauf dieser eine Rolle, bei der die Verkäuferin im Handyladen, eine Person beschrieb die Mónica sein sollte.

Die Behörden benutzten Fotos von beiden, die auf sozialen Medien zu finden sind, um biometrische Abgleiche zu machen. Mit denen sollte bewiesen werden, dass die beiden Personen die auf den Überwachungskameras zu sehen sind, es sich um die Beschuldigten handelt. Es wurden die Abstände der Augen, Falten, Leberflecke, Muttermale, Piercingnarbe, Ohrengröße, Mund, Nase und weitere Merkmale verglichen.

Wie auch auf die Tätowierungen, Schmuck und Schuhe von Mónica eingegangen wird, die angeblich übereinstimmen mit Aufnahmen der Überwachungskameras in der U-Bahn, wo eine Person gesehen wird die Tattoos trägt.

Bei den Hausdurchsuchungen wurden Kleidungsstücke gefunden die auf den Videos zu sehen sind.

Während der Ermittlung bei der beide observiert wurden, wurde auch der Müll von beiden durchsucht um unter anderen DNS sicher zu stellen.

Nach einem Jahr Ermittlungen, die noch nicht abgeschlossen sind, wurden um die 20.000 Stunden Videomaterial ausgewertet und unzählige Zeugen vernommen. Beiden wird bis jetzt versuchter Mord in mehreren Fällen, sowie das Platzieren von Sprengsätzen vorgeworfen.

Francisco sitzt seine U-Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis und Mónica in „normaler“ U-Haft ab.

Vorerst wird die U-Haft auf sechs Monate festgesetzt.

Natürlich sind in den vier Stunden der Haftprüfung viele Sachen die man noch nennen könnte, die jedoch sich doppeln würden, oder zu sehr ins Detail gehen, wie als Beispiel die Taxis, die Fahrkarten, Kleidungsstücke und Bewegungsprofile.

Für uns ist es beeindruckend zu sehen wie eine Haftprüfung in diesem Fall in Chile stattgefunden hat und wieviele „Beweise“ bei einem solchen Termin schon auf den Tisch gelegt werden. Ohne irgendwelche ExpertInnen zu der Realität von Chile zu sein, denken wir uns dass hier aus verschiedenen Gründen gerade der Versuch stattfindet, Nägel mit Köpfen zu machen. Was meinen wir damit?

Wegen der aktuellen Lage in Chile, angesichts der Revolte die seit Oktober 2019 stattfindet, die katastrophale politische und ökonomische Lage des Landes, das Statuieren eines Exempels und vor allem eine persönliche Abrechnung mit Mónica und Francisco, die man 2010 nicht einsperren konnte.

Dies sind natürlich Spekulationen und Hypothesen die wir in den Raum werfen, die aber nicht abwegig klingen. Wir werden weiterhin über diesen Fall berichten und auch unsere Gedanken noch dazu äußern, wie zu Thematiken die mit Repression zu tun haben.

Wir wünschen den beiden viel Kraft
Freiheit für alle Gefangenen
Lang lebe die Anarchie

Hier die Videos des Haftprüfungstermin zum Anschauen: Die ersten beiden sind die Aufnahmen des ganzen Verfahrens und der dritte Teil ist nur die Beweisaufführung der Staatsanwaltschaft I; II; III

I https://www.youtube.com/watch?v=9671dDODKHc

II https://www.youtube.com/watch?v=qusvZUErNNE

III https://www.youtube.com/watch?v=iNLA-cXFmm0

Doku zum Caso Bombas https://www.youtube.com/watch?v=WiFzI6yTTHw

JETZT, WO IHR ANGST HABT

Samstag, Juni 27th, 2020

Quelle: panopticon.blogsport.eu

Per Mail erhalten, am 19.06.2020 veröffentlich, auf Inferno Urbano auf italienisch zu finden

JETZT, WO IHR ANGST HABT

Anarchist*innen aus Berlin, in Solidarität und in Komplizenschaft

Es wird nun immer deutlicher, wie das vorherrschende Wirtschaftsmodell jede Äußerung individueller Freiheit, Gleichheit und sozialer Solidarität dem Gesetz des Profits und des übertriebenen Wettbewerbs opfert. Angesichts all dessen gibt es zahlreiche Szenarien der Revolte, die in allen Teilen der Welt explodieren und sich verästeln. Vom kurdischen demokratischen Konföderalismus bis zu den Gebieten der zapatistischen Autonomie, von Hongkong bis Chile. In den letzten Monaten hat die Art und Weise, wie die Covid-Pandemie gehandhabt wurde, die Ungleichheit zwischen denen, die unter dem System leiden, und denen, die behaupten, es zu kontrollieren, weiter verstärkt und verdeutlicht. Dadurch sind die sozialen Spannungen und ihr explosives Potenzial noch extremer geworden.

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66 Tage – Die USA zwischen Lockdown und Riots

Mittwoch, Juni 17th, 2020

Quelle: ajourmag.ch

Joshua Clover schreibt über die Proteste und Riots, die in den USA nach der Ermordung von George Floyd in Minneapolis ausgebrochen sind. Und er stellt sie in den Kontext einer Zeit der wirtschaftlichen und sozialen Krise.

66 Tage dauerte es von der ersten Anweisung, zu Hause zu bleiben, bis zum ersten Riot. Neben der Empörung über die Ermordung von George Floyd lässt sich auch eine gewisse Hoffnung darin erkennen, dass die Menschen weiterhin gegen die Ordnung einer Welt kämpfen können, die für sie immer eine Quelle der Gewalt ist, dass sie für das eigene Wohlergehen kämpfen können, dass sie gemeinsam auf der Strasse kämpfen können. 66 Tage lange quälte alle, die ich kenne, zweifellos der Gedanke, diese Möglichkeit könnte verblasst sein. Das ist sie nicht.

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