Repression gegen antifaschistische Strukturen – eine erste Übersicht

Quelle: rotehilfe.wien

Wir dokumentieren den Spendenaufruf und Bericht der Soligruppe antifa2020 zu den momentanen Ermittlungen gegen Genoss*innen u.a. nach §278a:

Wie auf der Website des Rechtsinfokollekivs Wien (https://at.rechtsinfokollektiv.org/) bereits kurz berichtet, fanden in jüngster Zeit mehrere, tw. gewaltvolle Anhaltungen von Genoss:innen und eine Hausdurchsuchung durch die Polizei statt. Diese Anhaltungen wurden von verschiedenen Polizeieinheiten und in einem absurden Ausmaß ausgeführt.

Konkret handelt es sich um vorübergehende Festnahmen, Befragungen und Beschlagnahme von Mobiltelefonen bei vier Personen. Bei einer dieser Personen wurde zusätzlich eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei welcher elektronische Datenträger sowie persönliche Gegenstände mit „Antifa-Bezug“ beschlagnahmt wurden.
Alle betroffenen Personen sind frei und haben die Aussage verweigert. Die beschlagnahmten Mobiltelefone und Datenträger sind verschlüsselt beziehungsweise zumindest versperrt.
Mindestens eine Person wurde im Vorfeld über längere Zeit observiert. Laut derzeitigem Wissensstand und Aktenlage sind die Ermittlungen gegen Antifaschist:innen noch nicht abgeschlossen.
Vorgeworfen werden den betroffenen Personen mehrere Angriffe auf Mitglieder der neofaschistischen und rechtsextremen Identitären.
Konkret:

  • Verdacht des Raufhandels, gem. §91 StGB;
  • Verdacht der schweren Körperverletzung, gem. §84 StGB;
  • Verdacht der Sachbeschädigung, gem. $125 StGB;
  • Verdacht des versuchten räuberischen Diebstahles, gem. §§15, 131 StGB;
  • Verdacht der Verhinderung oder Störung einer Versammlung, gem. §285 StGB;
  • Verdacht der kriminellen Vereinigung, gem. § 278 StGB;
  • Verdacht der kriminellen Organisation, gem. §278a Abs. 1 und 2 StGB.

Details zu den Festnahmen:

Nachdem ein Genosse bereits am Morgen des 28.8.2020 auffällige Personen des LVT in der Nähe der eignenen Wohnung beobachtete, wurde dieser auf dem Weg zur Arbeit beharrlich durch zivile Beamten der Spezialeinheit Cobra verfolgt und von einer absurd großen Anzahl von Beamt:innen verschiedener Polizeieinheiten in der Ubahn mit hoher Aufmerksamkeit auf das Mobiltelefon, welches versperrt war, festgenommen. Der Betroffene wurde zu seiner Wohnung gebracht und dort, obwohl kein Widerstand von ihm ausging oder erwartbar gewesen wäre, von einer mit Maschinengewehren bewaffneten Spezialeinheit der Cobra empfangen. Bei der darauffolgenden Hausdurchsuchung, in Anwesenheit eines Anwalts, wurden alle elektronischen Geräte, Laptops, Festplatten, alte Mobiltelefone sowie alle Kleidungsstücke, Poster etc. mit „Antifa“-Bezug beschlagnahmt. Danach wurde der Genosse zur Befragung mitgenommen und nach erfolgreich verweigerter Aussage und Prüfung durch die StA wieder freigelassen. Erfreulicherweise wurden weder Gegenstände zerstört, die Wohnung verwüstet noch Zimmer von Mitbewohner:innen durchsucht.

Beinahe zeitgleich wurde eine weitere Person am Heimweg von der Lohnarbeit an einem öffentlichen Ort von einer – abermals absurd – großen Anzahl an Beamt:innen mehrerer Polizeieinheiten von hinten, auch mit Fokus auf das Handy, überfallen und zu Boden gedrückt. Während der Festnahme wurde gewaltsam versucht, die Finger des Genossen auseinanderzuziehen, um sein Mobiltelefon via Fingerprint zu entsperren. Nachdem dies nicht gelang, wurde auch dieser Genosse zur Befragung mitgenommen und nach erfolgreich verweigerter Aussage wieder freigelassen.

Eine dritte Person wurde von den Ermittlungsbehörden am 30.8. von zuhause zur Befragung mitgenommen. Bei ihm wurde keine Hausdurchsuchung durchgeführt. Auch hier wurde das Mobiltelefon beschlagnahmt und der Genosse nach erfolgreich verweigerter Aussage wieder freigelassen.

Am 8.9. wurde eine vierte Person von der Polizei bei der Arbeit aufgesucht. Auch ihm wurde sofort das Handy abgenommen, er zur Befragung mitgenommen und nach erfolgreich verweigerter Aussage wieder freigelassen.

Die Polizei sieht den Vorwurf §278a unter anderem durch „den Kampf der ANTIFA gegen Rechts“ bestätigt.
Dieser Paragraf ermöglicht – siehe Blick in die Vergangenheit (z.B. Repression gegen die österreichische Tierrechtsbewegung 2008) – willkürlich und recht unkompliziert Repression gegen Antifaschist:innen. Diverse Überwachungsmaßnahmen wie u.a. Handyüberwachung, Observationen usw. sind für sie damit rechtlich gedeckt und unkompliziert durchsetzbar.
Die aktuelle Aktenlage zeigt uns, dass die Ermittlungen der Polizei darauf abzielen, Antifaschist:innen zu verfolgen und wie gewohnt antifaschistische Arbeit zu kriminalisieren. Das dabei Rechtsextreme in Ruhe ihre menschenfeindlichen Ideologien streuen und umsetzen können, ist wie immer bezeichnend für den rechten österreichischen Polizeiapparat.

Beachtlich und neu als Repressionserfahrung ist, dass die Cobra-Einheiten den Auftrag hatten , die Personen in einem Moment zu erwischen, wo diese ihre Handys in einem unversperrten Zustand in der Hand hielten bzw. diese (tw. mit Gewaltanwendung) dazu aufforderten, die Sperre aufzuheben. Aufgrund dessen wurden zwei beschuldige Personen von hinten überfallen mit dem Ziel, die Handys unversperrt zu beschlagnahmen, um vollen Zugriff darauf zu haben.

Auf Grund der Ermittlungen wollen wir daher nochmals darauf hinweisen, wie wichtig es ist, Handys & Datenträger zu verschlüsseln, die Wohnungen aufzuräumen sowie die Möglichkeit der Entsperrung des Handys durch „Fingerprint“ und „Gesichtserkennung“ zu deaktivieren sowie Spekulationen und „Tratschen“ online und im echten Leben zu unterlassen, da dies IMMER zu negativen Folgen für Betroffene führen kann.

Wir werden uns von diesen staatlichen Angriffen auf keinen Fall einschüchtern lassen!
Der aktuelle Kriminalisierungsversuch passiert in einem der Klima der autoritären Zuspitzung. Seit Jahren werden der Polizei kontinuierlich immer weitergehende Befugnisse eingeräumt.
Dass Staat und Faschist:innen abermals Hand in Hand gegen Antifaschist:innen vorgehen, zeigt, wie wichtig antifaschistisches Engagement ist!

Wir wollen darauf hinweisen, dass es momentan, da aufgrund der globalen CoVid-19 Pandemie keine Solipartys etc. möglich sind, umso wichtiger ist, die Betroffenen mit Spenden für die anfallenden Prozess- und Anwaltskosten unter folgendem Spendenkonto zu unterstützen:

Rote Hilfe Wien
IBAN: AT46 6000 0103 1036 9883
Verwendungszweck: antifa2020

Solltet ihr in dieser Angelegenheit auch von Repression betroffen sein, Vorladungen bekommen haben, etc. schreibt bitte dringend an: antifa2020@riseup.net

Getroffen hat es ein paar – gemeint sind wir alle. Daher: Gemeinsam, entschlossen und solidarisch gegen ihre Repression. Wir sind alle 278a!

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