[Russland] Moskau: Erneute Repressionen gegen Anarchist*innen

Quelle: international anarchist defence fund, übersetzt von abc wien

Seit dem Morgen des 1. Februar durchsuchte die FSB Wohnungen von Anarchist*innen in Moskau. Sie suchten und fragten vor allem nach einem Gefährten namens Azat Miftakhov, der heute ebenfalls inhaftiert wurde. Cops behaupten, er habe in seinem Studentenwohnheim Sprengstoff produziert, und angeblich fanden sie bei einer Durchsuchung am 17. Januar einige Spuren davon. Die Boulevardpresse hat bereits erklärt, er habe sich schuldig bekannt und ein gefälschtes Polizeidokument verbreitet, das dies bestätigen soll.

Zur gleichen Zeit wurden alle anderen Anarchist*innen zu ihm und der anarchistischen Gruppe Narodnaja Samooborona befragt. Alle außer Azat sind inzwischen freigelassen worden, und einige gaben an, sie seien gefoltert worden. Nach Angaben von Gefährt*innen von Azat hat er sich nicht schuldig bekannt (Stand bis 17 Uhr) und versucht, seine Arme zu schneiden, um Folterungen zu vermeiden und in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden. Er wurde jedoch nicht ins Krankenhaus gebracht und Anwält*innen wird es verweigert, ihn auf der Polizeiwache zu besuchen.

UPD1: Die Polizist*innen leugnen, dass sie Miftakhov festgenommen haben, als sie nach seinem Aufenthaltsort gefragt wurden, während die freigelassenen Festgenommenen bestätigen, dass er bei der Polizei war. Anwält*innen sahen einen Haufen Polizist*innen, die einen Gefangenen zu einem Auto brachten, der Miftakhov sehr ähnelte. Als sie sich näherten, weigerten sich die Polizist*innen, den Namen des Verhafteten zu nennen und fuhren sehr schnell davon. Wahrscheinlich wollen sie den Anarchisten an einen sichereren Ort für Folterungen bringen. Wir werden die Situation verfolgen.

UPD2: Am 2. Februar konnten die Anwält*innen Azat den ganzen Tag über weder in Untersuchungshaft noch vor Gericht ausfindig machen. Erst um 22.00 Uhr rief eine Ermittlerin die Anwältin an und sagte, dass Miftakhov in der Untersuchungshaftanstalt Balashikha festgehalten wird und lud sie ein, an einigen Ermittlungsaktivitäten teilzunehmen, die am 3. Februar, 10.00 Uhr Moskauer Zeit stattfinden sollten. Sie sagte auch, dass die Zeit der Festnahme der 2. Februar 19 Uhr wäre, obwohl selbst die staatlichen Fernsehsender die Verhaftung am Morgen des 01. Februar bekannt gegeben hatten, was zwei Dinge bedeuten kann – entweder sie haben Azat gebrochen und er wird sich morgen schuldig bekennen, oder sie haben es nicht geschafft und aufgegeben und versuchen nun eine „legale“ Befragung durchzuführen.

UPD3: Am 3. Februar besuchte die Anwältin Miftakhov in Untersuchungshaft und erklärte, der Häftling habe Schläge und Folterungen mit einer Bormaschine erhalten. Er versuchte tatsächlich, sich selbst zu schneiden und täuschte vor, viele Tabletten genommen zu haben, um nicht gefoltert zu werden. Er sagte, er habe sich nicht für eines der Verbrechen, die sie ihm anhängen wollen, schuldig bekannt. Es stellte sich heraus, dass die Polizei ihn seit zwei Wochen heimlich überwachte, bevor sie ihn inhaftierte und Razzien in Wohnungen und an Orten durchführte, an denen er angeblich einige Nächte verbracht hatte. Einer der am 1. Februar inhaftierten Personen berichtete von Folterungen mit einer Betäubungswaffe, wodurch er gezwungen wurde, Miftakhov in einer Sache zu belasten, die er nicht getan hatte. Er war auch gezwungen, ein Dokument über die Zusammenarbeit mit dem FSB zu unterzeichnen. Am nächsten Tag veröffentlichte er dies. Azat Miftalhov ist derzeit nicht angeklagt, bleibt aber im Falle der Herstellung und des Besitzes von Sprengstoffen verdächtig. Azat ist Doktorand in einer mathematischen Fakultät. Heute haben eine Reihe von Professor*innen und Student*innen einen gemeinsamen Brief veröffentlicht, in dem sie fordern, die Verfolgung von Azat einzustellen.

 

Quelle: the russian reader (2. Februar 2019), übersetzt von abc wien

Moskau: Anarchist Azat Miftakhov: Inhaftiert, gefoltert und verschwunden

Seit eineinhalb Tage lang konnten die Anwält*innen Azat Miftakhov, einen Anarchisten und Absolventen der Moskauer Staatlichen Universität, der gestern inhaftiert wurde, nicht kontaktieren. Gestern Abend wurde Miftakhov von der Polizeistation Balaschicha abgeholt, als ein Verteidiger zusah und zu einem unbekannten Ort gebracht. Miftakhov war verletzt und von acht Polizisten umgeben. Es ist vierundzwanzig Stunden her, seit er das letzte Mal gesehen wurde. Niemand kennt seinen Aufenthaltsort, seinen Zustand und die Anklage gegen ihn.

Im Gegenzug haben Ren TV und Rossiya 24 Fotos und Videos von der Suche und dem Verhör von Miftachow gesendet. In einem davon verspottet ein Ermittler Miftakhov, der mit Handschellen gefesselt ist, als er sagt, er habe Angst davor, gefoltert zu werden. Die Offiziere des Zentrums „E“ nehmen ein Selfie mit ihrem Gefangenen auf. (Ich konnte kein anderes Foto finden, deshalb ist es diesem Beitrag beigefügt)

Die Leute, die zusammen mit Miftakhov festgehalten und gestern freigelassen wurden, berichten, dass sie geschlagen und mit Stromschlägen gefoltert wurden. Die Folter war so schlimm, dass Miftakhov gestern „nicht wie ein Mensch aussah“. Er versuchte, sich die Handgelenke zu verletzen, um nicht wieder gefoltert zu werden. Heute hörte Anwältin Svetlana Sidorkina einen Ermittler vor Gericht mit jemandem darüber sprechen.

Die Behörden haben Miftakhov heute nicht vor Gericht zu seiner eigenen Haftanhörung gebracht.

Wie vor einem Jahr in Petersburg findet die Folter praktisch am helllichten Tag statt, doch wir wissen nicht, was wir tun sollen. Gestern, als ich eine Nachricht über die Moskauer Polizeimeldestelle hinterließ, lachte mich die Bedienstete fast aus. So wie Putin vor kurzem [auf einer Sitzung des Rates für Zivilgesellschaft und Menschenrechte] behauptete, FSB-Offiziere würden Menschen in Fahrzeugen nicht foltern, zweifelte sie an dem, was ich sagte.

„Er wird also in einem Gebäude des Innenministeriums gefoltert? Gerade jetzt in diesem Moment? Verschon mich damit“, sagte sie zu mir.

Eine Vermisstenanzeige zu Miftakhov wurde eingereicht, und Anwält*innen versuchen seit gestern, Kontakt zu ihm zu bekommen. Aber was soll das bringen?

Ich hoffe, diese Hölle endet für ihn so schnell wie möglich.

Hier sind ein paar Links zu Artikeln [auf Russisch] über das, was sich seit gestern über die Durchsuchungen und Verhaftungen in Moskau ereignet hat.

 

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