Ein paar Worte zu Knast und der aktuellen Repression

Quelle: kontrapolis

Die Ereignisse überschlagen sich

Im Februar 2023 kam es am Rande des internationalen Neonazi-Events „Tag der Ehre“ in Budapest zu Anfriffen auf Neonazis. Seitdem sitzen Tobi und Illaria unter menschenunwürdigen Bedingungen in Untersuchungshaft in Ungarn.
Im September starteten BKA und LKA eine öffentliche Fahndung nach einer Person, die im Antifa Ost Verfahren beschuldigt ist, inklusive Bild und Namen auf Werbebildschirmen in ganz Deutschland. Erst vor kurzem wurde Maja, eine von den ungarischen wie deutschen Behörden gesuchte Person, in Berlin festgenommen und ist seitdem in U-Haft. Kurz davor wurde Gabriel in Mailand festgenommen und ist seitdem unter Hausarrest. Mittlerweile liegt für Maja auch ein offizielles Auslieferungsgesuch vor.

Das sind nur einige der Ereignisse, die sich alle in den Budapest-Komplex einordnen. In der Zwischenzeit werden weiterhin Angehörige drangsaliert, Wohnungen und Häuser durchsucht, Fahndungen gestartet, Personen eingeschüchtert, Drohszenarien seitens der Repressionsbehörden aufgebaut. Wie wir nun bei Maja, Tobi, Ilaria und Gabriele, jedoch auch bereits im Antifa Ost Verfahren und in vielen 129er Ermittlungen davor beobachten können, ist Freiheitsberaubung, bzw. U-Haft ein Thema, das immer mehr Personen, die sich als Antifaschist*innen verstehen, betrifft und betreffen wird.

Mit weiteren langen Haftstrafen ist zu rechnen

Nicht nur gegenüber der antifaschistischen Bewegung wird in den letzten Jahren zunehmend ein Drohszenario aufgebaut. Auch Aktivist*innen aus der Umweltbewegung und anderen politischen Aktionsfeldern müssen mehr und mehr mit Untersuchungshaft, Vorbeugehaft und Haftstrafen rechnen. Genoss*innen aus dem kurdischen Freiheitskampf oder der kommunistischen Bewegung in der Türkei müssen seit Jahrzehnten jahrelange Haftstrafen in Deutschland absitzen. Wir möchten daran erinnern, dass migrantische, z.B. türkische Gefangene, zusätzlich oft nach der Haft abgeschoben oder ausgewiesen werden.

Als emanzipatorische Linke ist Knast somit ein Thema was uns immer begleitet, mal mehr, mal weniger präsent, mal mehr, mal weniger prominent. In gewissen Zeiten können wir das Thema mehr von uns wegschieben, da es uns nicht „direkt“ betrifft, in anderen weniger, wenn Freund*innen oder auch wir selbst sitzen müssen. Spätestens dann ist der Punkt erreicht, an dem wir uns damit auseinandersetzen müssen, dann ist es leider jedoch emotional und praktisch oft schon zu spät.

Wie wir Knast sehen

Knast ist ein Mittel des Staates, uns ganz direkt als Individuen, aber auch kollektiv zu bestrafen. Er hängt wie ein Damoklesschwert über der Gesellschaft, als permanente Drohung und Erinnerung, wer hier letztendlich die Macht hat, und ist ein integraler Bestandteil der bestehenden Herrschaftsverhältnisse und des Machterhaltes.

Als Anti-Knast-Zusammenhang wehren wir uns gegen Knäste und die Knastgesellschaft auf unterschiedliche Art und Weise. Wir unterstützen deshalb seit Jahren soziale wie politische Gefangene. Das schließt manchmal auch Menschen ein, mit deren Wertevorstellungen wir nicht einverstanden sind. Uns ist dabei wichtig, die Konstruktionen von „schuldig“ und „nicht schuldig“ nicht zu reproduzieren und eine Richter*innenposition einzunehmen, mit welcher wir beurteilen, was geht und was nicht. Wir wollen Diskussionen zwischen uns und den Gefangenen zulassen und Lebensrealitäten anerkennen, wobei wir an einem gewissen Punkt auch Grenzen setzen.

Aktuell sind viele „unserer“ Leute im Knast bzw. werden einfahren: Maja und potenziell einige der Menschen im Budapest-Verfahren sowie im Antifa-Ost-Verfahren und Benno aus Leipzig. Zudem sprießen immer neue 129er Verfahren und Ermittlungen wegen anderen Vorwürfen aus dem Boden, die oft erst durch Hausdurchsuchungen bei den Betroffenen Personen klar werden.

Soliarbeit in der linken Szene

Eine unsere Beobachtungen in der Anti-Repressions-, aber auch in der Soliarbeit mit Gefangenen aus der linken Bewegung ist, dass sich, immer wenn Menschen Prozesse haben oder in den Knast müssten, kleinere Soligruppen bilden, die oft bei null anfangen und die betroffene Person dann über einen bestimmten Zeitraum unterstützen. In dieser Zeit wird sich eine Menge Wissen zu Repression und Haft angeeignet, das dann, wenn die betroffene Person wieder draußen ist, oft verloren geht. Es ist zwar schön, dass sich immer wieder neu Soli-Gruppen gründen und dass niemand alleine gelassen wird, aber unser Eindruck ist, dass es in der Gefangenensolidarität langfristig mehr aktive Leute braucht, mehr Verbindlichkeit, mehr Unterstützung. Was wir nämlich sagen können ist, dass das nicht so viele machen.

Repression und Knast sind hart, vor allem auch emotional

Ein weiteres Thema für uns ist, dass sowohl Antirepressionsarbeit, als auch Antiknastarbeit eine emotionale Komponente haben, die nicht vernachlässigt werden sollte und die wir von Anfang an auf dem Schirm haben müssen. Sie kann sehr auslaugend sein, uns traurig und wütend machen, tiefe Ängste in uns auslösen, uns aber auch einfach krass mitnehmen – bis an den Punkt, an dem wir das Gefühl haben, dass wir einfach nicht mehr können. Je nachdem, wie eng wir mit den Betroffenen sind oder auch werden, kann das stärker sein oder auch nicht so stark, klar ist aber, diese Arbeit macht was mit uns und kann eine große emotionale Herausforderung darstellen. Seitens der Repressionsbehörden wird das natürlich auch genutzt.

Uns darüber auszutauschen, uns darauf vorzubereiten, gemeinsam Strategien zu entwickeln, wie wir gemeinsam durch die Repression, die leider längst ein Dauerzustand ist, kommen können, halten wir daher für unabdingbar.

Da wäre es eine Hilfe, nicht bei jedem Repressionsfall die 1000te Soligruppe zu gründen und sich alles Wissen von vorne anzueignen, sondern dauerhafte Strukturen der Gefangenensolidarität aufzubauen. Dies ist auch als Einladung an Aktive aus den Soligruppen gemeint, sich dauerhaft und über den Einzelfall hinaus in der Gefangenensolidarität zu betätigen.

Auch im Knast geht das Leben weiter

Ein anderer Punkt, den wir aus Erfahrung sagen können ist, dass das Leben im Knast nicht vorbei ist. Auch in Haft kann man politisch bleiben und sich mit anderen Gefangenen vernetzen. Viele Gefangene tun dies von sich aus. Wir sehen darin ein großes Potenzial und möchten alle Gefangenen dazu ermutigen, offen auf ihre Mitgefangenen zuzugehen und den Knast nicht als ein Loch, sondern als ein Feld im Kampf im Freiheit, Gerechtigkeit und Würde zu sehen.

Gemeinsam gegen Auslieferung nach Ungarn

Wenn es zu Knästen kommt, finden wir es oft problematisch, Unterscheidungen zwischen „schlechten“ und „guten“ Knästen zu machen. Freiheitsberaubung bleibt Freiheitsberaubung und Knast ein Mittel der Herrschaft – egal, wie „angenehm“ es der Käfig gestalltet ist.

Die Informationen, die wir zu den U-Haftbedingungen in Ungarn erhalten, sind jedoch erschreckend. Extrem eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten, gesundheitsschädliche Bedingungen, Schikanen etc. Die Bedingungen in ungarischer U-Haft sind räudig und machen Angst.

Aus unserer Erfahrung ist für Gefangene der Kontakt nach außen sehr wichtig: Briefe, Telefonate, Besuche. Daher ist es immer besser, wenn Menschen in Knästen landen, die möglichst nah an ihren Angehörigen und Freund*innen sind und die diese Arten der Kommunikation ermöglichen. Wir stellen uns allein deswegen klar gegen eine Auslieferung von Festgenommenen nach Ungarn. Auslieferungen müssen verhindert werden, wir müssen dafür sorgen, dass unsere Freund*innen hier bei uns bleiben und nicht in die Hände des ungarischen Staats unter Orban gegeben werden.

Eine klare, offene und breite Solidarität mit den Untergetauchten, Verfolgten und Inhaftierten, egal aus welchem emanzipatorischen Kontext, ist dabei unabdingbar. Gerade das Sich-Abwenden und Isolieren sorgt dafür, dass der Staat angebliche „Gruppen“ noch besser als „kriminelle Vereinigungen“ darstellen kann. Dabei sind die Verfolgten Teil von uns, Teil einer breiten Bewegung sind.

Antirep-Arbeit nicht erst, wenn es brennt

Noch etwas: Repression soll Linksradikale auch immer davon abhalten, anderen Themen und Arbeiten nachzugehen, die Bewegung also auf Dauer schwächen.

Um dem entgegenzuwirken, ist es vielleicht sinnvoll, Anti-Repressions bzw. Anti-Knast-Arbeit auch von Beginn an als Kampffeld zu begreifen, nicht erst, wenn wir selbst davon betroffen. Es ist auch ein Feld, in dem Verbindungen geknüpft und Brücken gebaut werden, zu Menschen, mit denen davor vielleicht kein Kontakt bestanden hätte – ob Angehörige, andere Gefangene, etc..

Knast bedeutet für uns nicht das Ende von politischer Arbeit, sondern kann ein anderer Anfang sein. Knäste können von innen und außen durch oft klein wirkende Aktionen unheimlich genervt werden, sie können die Vernetzung mit denen, die vom Staat weggesperrt und unsichtbar gemacht werden sollen, ermöglichen.

Unsere Erfahrung und unser Wissen zu Knästen geben wir gerne weiter und unterstützen auch gerne Kämpfe im Knast, auch von zukünftigen Inhaftierten.

Auf dass uns Repression und Knast nicht brechen und wir auch an Orten der totalen Kontrolle unkontrollierbar bleiben.
Solidarität und Verbundenheit hinter und vor die Knastmauern und in den Untergrund! Gegen die Auslieferung an den ungarischen Staat!

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