[Deutschland] Die drei von der Parkbank – Prozessberichte Mai 2020

Quelle: parkbankprozess

05.05.2020 – 26. Prozesstag – Exklusive Prozesskunst

Der Prozesstag begann um 09:00 Uhr. Vor dem Gericht gab es wieder von 08:00 bis 10:00 Uhr eine Kundgebung mit Musik und Kaffee, zu der sich einige solidarische Menschen eingefunden hatten.

Heute wurde nach langem hin und her Frau Roos, ihres Zeichens Bullin beim LKA 7, als Zeugin vernommen. Roos war ab der Festnahme der Drei im Park an den Ermittlungen beteiligt. Zu Beginn war sie allerdings noch im Studium und Praktikantin beim LKA, inzwischen teilt sie sich ein Büro mit Massner und ist seine Vertreterin.

Eingeläutet wurde der Morgen mit einem Streit über die Aussagegenehmigung der Zeugin. Als das geklärt war, ging es mit der Befragung durch die vorsitzende Richterin los. Die Zeugin hatte sich brav vorbereitet und konnte auf alle Fragen bis ins kleinste Detail aktensichere Antworten geben. Überraschung. Sie erzählte davon, wie sie in der Nacht der Festnahme auf das PK 23 kam, wo die Drei bereits in den Zellen hockten. Dort seien zu diesem Zeitpunkt auch schon die im Park gefundenen Gegenstände gewesen. Alle Sachen seien in Schränken und (weil die Schränke zu klein waren) zum Teil in Plastiktüten gewesen. Die Schränke und Tüten seien auf handschriftlichen Zetteln mit dem Namen der jeweiligen Person beschriftet gewesen, bei denen die Gegenstände gefunden worden sein sollen. Wer das gemacht hat, wusste sie nicht. Sie war es jedenfalls nicht. Dass diese Zuordnung nicht bedeutet, dass die Sachen in den Schränken und Tüten auch der Person gehören, die auf dem Zettel steht, musste ihr dabei von der Verteidigung öfter erklärt werden. Außerdem erzählte sie, dass die Drei auf der Wache sowohl die freiwillige DNA-Abgabe, als auch einen Hautabrieb (für den Personenspürhund) verweigert haben. Bekommen haben sie das alles schlussendlich natürlich trotzdem mit einem Beschluss des Gerichts.

Nur Fragen zu beantworten reichte ihr am Ende des Tages nicht aus, also wollte sie auch eine Frage stellen. Sie habe das Gefühl, dass die Angeklagte sie zeichnen würde. Dieses vermutete Kunstwerk wollte sie natürlich sehen. Geht schließlich um sie. Blöd nur, dass die Unterlagen der Angeklagten sie als Zeugin nichts angehen, worauf sie von der Verteidigung auch hingewiesen wurde. Dass auch die Richterin, wie von ihr verlangt, darauf keinen Zugriff hat, ließ sie dann am Ende dieses Prozesstags etwas ratlos zurück.

Am nächsten Prozesstag soll die Vernehmung weitergehen.

Nächster Prozesstag: 07.05.2020 – 09:00 Uhr


07.05.2020 – 27. Prozesstag – „Aber, aber, aber, …“

Der Prozesstag begann wieder um 09:00 Uhr. Schön zu sehen, dass auch die Kundgebung ab 08:00 Uhr wieder gut besucht war.

Es ging weiter mit der Vernehmung von Roos durch die vorsitzende Richterin und der Frage, wem eigentlich welche Sachen in welchen Tüten und Schränken gehören. Geklärt werden konnte das nicht, dafür wurde umso mehr gestritten.

Roos erzählte davon, was sie am Abend der Festnahme der Drei noch gemacht hat. Nach der Festnahme sei sie noch zu einem anderen Einsatz gefahren. Danach habe sie sich wieder mit den Dreien beschäftigt. Noch in der Nacht sei sie mit einer Hundeführerin und einem „Gegenstandspürhund“ (was genau so einer kann oder nicht, konnte nicht geklärt werden, sie sei ja keine Hundeführerin) wieder in den Park gefahren. Der Hund sollte „Gegenstände finden, die vor kurzer Zeit von Menschen angefasst wurden“. Die Suche blieb nach Angaben der Zeugin ergebnislos. Man habe absolut nichts in dem – öffentlichen – Park gefunden. Nach einigem hin und her rutschte ihr doch heraus, dass ein anderer Gegenstand gefunden worden sei. Allerdings nicht vom Hund, sondern von der Hundeführerin. Also dann doch nicht nichts. Was gefunden wurde, wollte sie aber nicht sagen. Es sei ein anderes Verfahren eingeleitet worden. Darüber zu sprechen sei nicht von ihrer Aussagegenehmigung gedeckt. Zumindest war sie sich da sehr unsicher. Praktischerweise hatte das LKA vor kurzem eine Nummer nur für Fragen aus dem Verfahren eingerichtet. Auf mehrfaches Drängen der Verteidigung ließ sich Richterin Paust-Schlote dann dazu herab, die Funktionsfähigkeit dieser Nummer auszuprobieren. Und drei Mal dürft ihr raten. Es ging niemand ran. Am Ende blieb es dabei, dass Roos sich weigerte, eine ungefilterte Aussage zu der Nacht zu machen. Das Problem sollte dann von ihr bis zum nächsten Prozesstag mit ihrer Dienststelle rückgesprochen werden…

Dann geschah etwas für die Zeugin anscheinend absolut Unvorhersehbares:

Die vorsitzende Richterin fragte sie doch tatsächlich nach Ermittlungshandlungen außerhalb der Festnahme. Also alles, was danach kam. Stille. Einige Momente der Nervosität und des angestrengten Nachdenkens später die Antwort: „Aber, aber, aber darauf bin ich doch nicht vorbereitet! Das ist doch gar nicht mein Beweisthema heute!“

Sie habe Sorge, dass das, was sie sagen könnte, dann nicht vollständig wäre. Komisch, vorher konnte sie aus ihrer Erinnerung doch problemlos jedes noch so kleine Detail wiedergeben. Wahrscheinlich eine besondere Form der selektiven Wahrnehmung oder Wiedergabefähigkeit.

Da die Richterin aber trotzdem darauf bestand, dass sie es versuchen solle, stammelte sie sich durch Erinnerungsfetzen der auf die Festnahme folgenden Monate. Nicht vollständig war eine gute Einschätzung.

Damit endete der Tag gegen 15:30 Uhr. Das nächste Mal soll die Vernehmung weitergehen. Also auf ein Neues mit wahrscheinlich auf wundersame Weise zurückgekehrten Erinnerungen.

Nächster Prozesstag: 14.05.2020 – 09:00 Uhr


14.05.2020 – 28. Prozesstag – Frau Roos und das Rätsel des „USGV“

Der Prozesstag beginnt um 09:00 Uhr. Die Besucher*innenbeschränkung wurde von sechs auf 18 Personen erweitert, trotzdem kommen nicht alle rein und müssen sich zum Teil abwechseln. Geladen ist heute wieder Frau Roos vom LKA, zur Zeit der Festnahme noch Praktikantin, inzwischen als Ermittlerin beim LKA 7 (Staatsschutz) tätig. Auch der Sidekick von StA Schakau, StA Bornemann, ist heute das erste Mal seit den Coronaeinschränkungen wieder dabei.

Thema der heutigen Befragung sind die Orte, die Frau Roos zusammen mit einem Brandgutachter besucht hat, da sie als vermeintliche Ziele der Nacht ausgemacht wurden. Dazu gehören das Haus der Senatorin Stapelfeld, die Vonovia Zentrale in Wandsbek, das Tibarg Center mit seinen angeblichen Parkplätzen von Grossman und Berger und ein Wohnhaus in dem ein Vonovia-Mitarbeiter wohnen, bzw. davor ab und zu ein Firmenwagen parken soll. Es geht in inzwischen bekannter Art weiter, manchmal ist im Gedächtnis Frau Roos alles bis auf das kleinste Detail vorhanden, manchmal nur ein großer Schwamm. So auch bei der Frage, wann diese Ortsbegehung denn eigentlich stattgefunden haben soll. Wird wohl so Ende August…September gewesen sein. Nach der Mittagspause der plötzliche Geistesblitz: um den 8. Oktober. „Jetzt habe ich es wieder ganz deutlich“. Aha.

Die Beschreibung der Orte funktioniert einwandfrei, vor allem die Dinge die brennen könnten, sind ihr im Gedächtnis geblieben. Wie beispielsweise die Holzfensterrahmen der Vonoviazentrale. Ob sie eine Materialprobe genommen hätte, fragt einer der Anwälte. Hat sie nicht, aber das sehe man doch. Woran, will ein anderer Anwalt wissen. Na ganz klar, an der Holzmaserung. Der Hersteller der Kunststofffenster (so zitiert eine Anwältin anschließend aus der Akte) würde sich über sein so gelungenes Holzimitat freuen. So geht es weiter bis zur Pause.

Danach sollen Fotos, die an den Orten gemacht wurden, gezeigt werden, sowie Protokolle der Gegenstände, die bei den Dreien gefunden worden sein sollen. Es wird darum gestritten, ob es sich um eine „Inaugenscheinnahme“ oder einen „Vorhalt“ handeln soll. Bei einer in Inaugenscheinnahme, würden die Fotos als Beweismittel anerkannt werden, bei einem Vorhalt lediglich das dazu Gesagte der*des Zeug*in, jedoch nicht Inhalt der Fotos bzw. vorgehaltenen Protokolle. Von Seiten der Anwält*innenschaft wird ein Antrag gegen eine Inaugenscheinnahme gestellt, sowie auf Verbot der Beweiserhebung bzw. -verwertung.

Nach der Mittagspause wird der Antrag beschieden, negativ. Aber es handele sich ja eh um einen Vorhalt der Fotos. Der Saal wird verdunkelt, die Fotos an die Wand geworfen. Es folgt das erste Foto, die vorsitzende Richterin fragt, was der Zeugin dazu einfällt. Es folgt eine Bildbeschreibung wie man sie aus der Schule kennt, ergänzt von kurzen Bezügen zu dem vor der Pause Gesagten, wie z.B. „Das sind die Glasbausteine von denen ich sprach“. Selbst einem*einer Leih*in fällt auf, dass hier die Unterscheidung von Inaugenscheinnahme und Vorhalt irgendwie nicht so ganz passt, wenn zwar der Inhalt der Fotos zunächst nicht verwendet werden darf, dafür jedoch die detaillierte Bildbeschreibung der Zeugin. Auch darum wird sich natürlich gestritten. Die Richterin besteht darauf, dass es ihr nur um die Wahrnehmung von Frau Roos ginge und da sie ja die Fotos in Bezug zu dem zuvor Gesagten stelle, sei die ja auch gegeben. Die Anwält*innen bestehen darauf, dass konkrete Fragen gestellt werden, ja das könne sie machen, sagt die Vorsitzende. Es folgt das nächste Bild und die Frage „Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein?“. Ob das wohl mit konkret gemeint war? Nach der ganzen Diashow wird dann noch einmal ein Verwertungswiderspruch bezüglich der Aussage und der Fotos bzw. Protokolle erhoben.

Es geht dem Ende zu, ein weiterer Antrag auf die Aufhebung der willkürlichen Beschränkung der Besucher*innenzahl wird gestellt. Plötzlich fällt der Zeugin noch ein, dass sie ja noch etwas vorbereitet hat. Und zwar die Auflösung der Frage, was sie und die Hundeführerin da im Park gefunden haben und was das mit dem Verfahren zu tun habe (angeblich – so die Aussage beim letzten Mal – wurde deswegen ein neues Verfahren eingeleitet). Dieses graue Teil „aus dem Drähte gucken“ ist ein „USGV“, hä?? – eine „unspezifische Sprengstoffvorrichtung“, bitte was??? „Ein abgebrannter Böller“ Ahh!! Und was hat das mit dem Verfahren zu tun? „Doch nichts“ muss sie leider berichten, aber es liegt für alle Fälle in der Asservatenkammer. Na dann ist ja gut!

Nächster Prozesstag am 4.6.20, 09:00 – 09:30 Uhr (ein kurzer Sprungtermin, lasst uns trotzdem zahlreich kommen und unseren Freund*innen zeigen, dass sie nicht alleine sind!)

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