[Deutschland] Hambacher Forst: Einstellung im Andrea-Prozess

Quelle: abc rhineland

Der Morgen beginnt für die 15 solidarischen Prozessbesucher*innen mit den mittlerweile schon zur Routine gewordenen Einlasskontrollen zum Amtsgericht Kerpen und einem Polizeiaufgebot von circa 30 Personen.

Laut Anklage befand Andrea sich in einer Hängematte in der Nähe eines Baumhauses, das geräumt werden sollte und entfernte sich, als die Beamten des Höheninterventionsteams auf selber Höhe waren, weiter in die Baumkrone. Während der Räumung soll Andrea sich dann mit Schlägen, Tritten und Beschimpfungen wie „Wichser“ und „Schweine“ gewehrt haben. Als angeklagte Straftatbestände ergaben sich für die Staatsanwalt hieraus „Tätlicher Angriff“ und „versuchte Körperverletzung“.

Nach der Anklageverlesung bestätigt Andrea die Personalien, äußert sich aber nicht weiter zur Person und macht keine Angaben zur Sache.

Die Beweisaufnahme beginnt mit der Inaugenscheinnahme von Teilen des Räumungsvideos. Besonderes Augenmerk lag hier auf zwei Situationen:

Ein erster „Tritt“ laut Anklage soll kurz nach Umsichern (von Andreas Sicherung auf Polizeisicherung) passiert sein. Während einer der Beamten versuchte Andrea in den Korb der Hebebühne zu ziehen, ist eine Bewegung des Fußes am Baum zu erkennen. Für die Verteidigung klar ein „Zucken“, zurückzuführen auf das „Herausarbeiten“ des Fußes aus einer letzten Schlinge.

Ein vermeintlicher „Schlag“ ist ähnlich uneindeutig aufgezeichnet. Andrea soll einem Beamten die Brille aus dem Gesicht geschlagen haben. Auch durch mehrfaches Ansehen wird nicht klar, ob es sich um ein „Brille aus dem Gesicht Pflücken“ oder einen Schlag handele.

Akkustich ist das Video vor allem durch sachliche Kommentare eines (wahrscheinlich des aufnehmenden BFE) Beamten, Schmerzensschreie von Andrea und lauten Arbeitsgeräuschen der Hebebühnen geprägt.

Der erste Zeuge, BFE Beamter H., 52, von der dritten technischen Einheit Köln, ist überrascht, warum er eigentlich als Zeuge geladen ist. Er selbst habe das Video vom Einsatz aufgenommen und habe darüber hinaus keine weiteren Beobachtungen gemacht.

Der Aufforderung der Richterin, die Beamten, die Andrea vom Baum in den Korb gezogen haben, namentlich zu benennen, kann er nicht nachkommen. Dafür solle sie doch einfach in der Akte nachschauen. Richterin Pretzell versichert, dass sie die Akte gut studiert habe, aber nirgendwo die Namen der Beamten aufgetaucht seien. „Warum sind die beiden nicht namentlich bekannt, die da hoch sind?“

Zweiter Zeuge, Polizeibeamter K., 32, aus Bad Bergzabern war dann doch etwas näher dran am Geschehen. Er hat den Korb der Hebebühne gesteuert und sich und seine beiden – weiterhin der Justiz namentlich unbekannten – Kollegen hoch zum Baumwipfel gefahren. Bei der Identifizierung kann auch er nicht helfen, er vermutet, dass es SEK Einheiten aus Niedersachsen oder aus Kassel gewesen waren. Es wird deutlich, dass sich einzelne Punkte der Anklage auf den vorherigen Einsatz an einem Tripod beziehen. Auch da soll es einen Tritt gegeben haben, allerdings mit Treffer. Von dem Brillenverlust seines Kollegen habe er nur durch diesen im Nachhinein gehört. Auch warum Andrea eigentlich geräumt werden sollte – immerhin betraf die Räumung ja die Baumhäuser und nicht „Personen in den Baumwipfeln“ – kann er nicht sagen.

Nach seiner Vernehmung wird die Verhandlung für ein Rechtsgespräch unterbrochen. StA Schützenberg scheint nun einer Einstellung des Verfahrens nicht abgeneigt gegenüber. Er erklärt sich hierzu wie folgt:

Den §114er habe er angeklagt, doch die Akteneinträge, auf die er sich dabei stützte, betreffen seiner Meinung nach nun doch die Tripodräumung. Das Video spräche eher für ein „Widerstand leisten“ im Sinne des §113er als für einen „tätlichen Angriff“.

Hierbei seien die Höhe, in der sich die Situation abgespielt habe und die Sorge um die eigene Sicherheit zu berücksichtigen. Bei StrEG-Verzicht (=Verzicht auf Haftentschädigung) und einer „symbolischen Geldzahlung“ von 100€ an ProAsyl sei er zu einer Einstellung nach §153a StPO bereit. Das Gericht, Verteidiger und angeklagte Person stimmen zu. Das Verfahren ist beendet.

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