[FAZ] Knast-Profiteur*innen angreifen – Aktion und Diskussionsbeitrag

quelle: emrawi.org

Anknüpfend an den Text „Militante Kampagne gegen Knäste“ (Autonomes Blättchen Nr. 44, https://autonomesblaettchen.noblogs.org/ausgaben/ausgabe-nr-44/) haben wir uns entschieden praktisch und in Textform einige Gedanken zur Diskussion und Kampagne beizutragen.
Daher haben wir in der Nacht auf den 19. Mai 2021 ein Fahrzeug der Firma Dussmann in der Krozinger Straße und ein Fahrzeug der Firma WISAG in der Fehrenbachallee in Freiburg im Breisgau geplättet. Beide Firmen profitieren direkt am Einsperren von Menschen und sind daher Ziel unserer Aktion geworden (WISAG s.u. und Dussmann: ⚠️ <html>https://chronik.blackblogs.org/?p=14308</html>).

Aus der Geschichte lernen
Ein interessantes Beispiel erfolgreicher gemeinsamer Kämpfe gegen das Gefängnissystem bieten die kurzen aber heftigen und erfolgreichen Auseinandersetzungen gegen den Arbeitszwang für Gefangene im Hochsicherheitstrakt (HST), den Klaus Viehmann (lange im Knast wegen Vorwurf Beteiligung an Aktionen der Bewegung 2. Juni) in seinem Text „Einmal Knast und zurück“ (RHZ 3/2012) beschreibt. Damals konnten mit handfestem Widerstand samt Durststreik im Knast und einer konzentrierten militanten Kampagne draußen in kürzester Zeit die Reform verhindert werden und der Arbeitszwang vom Staat nicht durchgesetzt werden. Dazu schreibt Klaus Viehmann: „„Sie“ haben nach fünf Tagen nachgegeben und es hat sie Sachschäden nach RZ-Sprengstoffanschlägen an ihrem Justizvollzugsamt und bei zwei Firmen, die im Knast produzieren ließen, gekostet. Dazu Demonstrationen, Bambule im Köln-Ossendorfer HST und eine schlechte Presse. Die Verbindung von Zwangsarbeit und HST ist danach nicht wieder versucht worden.“
Beispiele wie dieses bekräftigen, dass es durchaus möglich ist, mit konfrontativen Mitteln gegen den Knast konkrete Forderungen durchzusetzen. Zudem zeigen sie, dass Kämpfe drinnen und draußen gemeinsam geführt werden sollten. Dabei ist es natürlich wichtig, dass die Gefangenen nicht direkt in Verbindung gebracht werden können mit Aktionen, sondern dass sich verschiedene Aktionsformen aufeinander anonym solidarisch beziehen können.

Auch in den letzten Jahren gab es Kämpfe gegen Knast-Profiteur*innen, die sowohl innen wie auch außen geführt wurden. So gibt es schon seit längerem eine GG/BO (Gefangenengewerkschaft) Kampagne gegen den krass überteuerten Knast-Telefon Anbieter Telio, eine Klage des anarchistischen Gefangenen Thomas Meyer-Falk gegen Telio, sowie auch nächtliche Aktionen gegen den Firmensitz in Hamburg (siehe Abschnitt Telio in „Militante Kampagne gegen Knäste“).

Privatisierung von Knästen
Ein anderes Beispiel, das im Text nur kurz erwähnt wird, ist Implenia. Gegen diese große Schweizer Baufirma, die unter Anderem das Abschiebegefängnis Bässlergut in Basel gebaut hat, gibt es seit einigen Jahren eine konzentrierte militante Kampagne, bei der während dem Knastbau unzählige Fahrzeuge und Bagger der Firma in der ganze Schweiz, aber auch an anderen Orten brannten. Dabei bleibt der Widerstand aber nicht auf diese militanten Aktionen beschränkt, es gab zudem auch eine Informationskampagne (ausführlich auf barrikade.info zu finden) und im letzten Jahr eine größere Recherche und Medienkampagne, die auf die Gewalt durch die Security Firma Securitas (Schweiz) eingeht, Fälle dokumentiert und betroffene Personen zu Wort kommen lässt. Dabei zeigt sich dann auch ein weiterer Anknüpfungspunkt für eventuelle militante Aktionen, der im ursprünglichen Text unserer Meinung nach etwas zu kurz kommt. Sicherheitsdienste arbeiten nicht nur als Sicherheitspersonal in vielen Knästen, Abschiebegefängnissen und Lagern, sondern es gibt mittlerweile auch in Deutschland und der Schweiz zunehmend Versuche das Gefängniswesen an sich zu privatisieren. In Deutschland wurde beispielsweise die JVA Hünfeld teilprivatisiert. In Basel ist die Securitas ein essentieller Bestandteil des Gefängnisses und als solches im letzten Jahr dort auch oft angegriffen worden (https://barrikade.info/search;term=securitas).
Die Entwicklung eines Industriellen-Gefängnis-Komplex, also die Privatisierung von Knästen und die zunehmende Verschmelzung von Konzernen mit dem Vollzugswesen, würde die bereits untragbaren Zustände hinter den Mauern weiter verschärfen und die Kämpfe gegen Knäste im Allgemeinen weiter erschweren, da dann neben dem staatlichen Interesse noch mehr als jetzt wirtschaftliche Interessen am Erhalt und Ausbau von Gefängnissen dazukommen würden. Die Folgen einer solchen Entwicklung sind in den USA klar erkennbar, vor allem rassistische aber auch klassistische Ausbeutung wird für Konzernprofite ins Endlose getrieben (für mehr Informationen dazu siehe beispielsweise den Film „13th“).

Nicht nur JVAs sperren ein
Es ist auch wichtig nicht zu vergessen, dass JVAs nicht die einzigen einsperrenden Institutionen sind und den Blick daher zu erweitern. Das taten schon die Revolutionären Zellen (RZ) mit ihren Anschlägen auf Funktionäre des Roten Kreuz, das in den 80er Jahren die rassistische Anti-Asylpolitik der BRD tatkräftig durch den Aufbau von Lagern und Unterstützung der Abschiebe-Infrastruktur unterstützte und sich dabei noch nebenher reich verdiente. Auch heute betreibt das DRK noch Lager und ist ein nicht unwichtiges Zahnrädchen der Abschiebemaschinerie. Andere Bereiche dieses Systems wären die Fluglinien, die ihre Flugzeuge für Abschiebungen zur Verfügung stellen, die Bundespolizei und Frontex (führen die Abschiebung und Flugbegleitung durch). Und natürlich nicht zu vergessen die Gerichte, die mit ihren Urteilen die scheinheilige rechtliche „Absicherung“ bieten, dass der Staat Menschen guten Gewissens in Kriegsgebiete und Diktaturen abschieben kann. Würden all die schönen Worte in Gesetzen ernst gemeint sein, wären Abschiebungen an sich verboten. Auch zu den Gerichten wurden die RZ bereits in der 80er Jahren mit Anschlägen auf Richter*innen des obersten Asylgerichtes aktiv.
Während DRK, Fluglinien und Gerichte derzeit eher weniger im Fokus stehen, sind dagegen Anschläge auf Ausländerbehörden relativ beliebt in den letzten Jahren (siehe https://chronik.blackblogs.org/?s=ausl%C3%A4nderbeh%C3%B6rde).

Auch wenn WISAG im Text erwähnt wird, ordnet dieser WISAG nur als Firma, die den Knastbetrieb laufen lässt, ein. Dabei wird der Punkt nicht erwähnt, dass WISAG mit beispielsweise den Ticketkontrollen in Berlin, die die Firma umsetzt mit ihrem Personal, direkt eine Rolle beim Befördern von armen und rassifizierten Menschen in den Knast durch Ersatzfreiheitsstrafe spielt. Die Ersatzfreiheitsstafe bezeichnet die Praxis in der BRD, dass Menschen, die ihre Geldstrafe wegen z.B. ohne Ticket fahren nicht blechen können, eingesperrt werden anstatt des Zahlens.
Es wäre sicherlich spannend sich genauer anzuschauen, welche Firmen eine solche Rolle wie WISAG übernehmen und damit diese Funktion sichtbarer zu machen und anzugreifen.

Militantes Auflehnen hinter den Mauern
Ein weitere Ebene, die im Text zu kurz kommt, sind militante Aktionen in Gefängnissen und anderen Arten von Knästen. Gerade das Jahr 2020 hat wieder einmal gezeigt, dass militante Kampagnen nicht unbedingt in die Knäste hinein getragen werden müssen, sondern vielleicht eher dort beginnen und wir von außen daran anknüpfen können. In unzähligen Knästen weltweit, besonders drastisch in Italien, kam es zu Ausschreitungen, Besetzungen und Aufständen, bei denen es sowohl um den konkreten Schutz vor der Corona-Pandemie ging, als auch um Kritik am System Knast. Einige Bezugsgruppen draußen knüpften an diese aufständischen Momente an und solidarisierten sich mit Aktionen und anderen Formen der Solidarität, doch insgesamt ist es schade, dass allzu oft dann doch die Kämpfe gegen Knäste eher parallel drinnen und draußen, als miteinander und füreinander gekämpft werden.
Eine weitere Form konfrontativer Kämpfe, die wir zudem als ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Knäste sehen, ist der Streik. Der bringt zwar weniger Feuer-Romantik, hat aber immer wieder eine Schlüsselrolle in Gefangenen-Kämpfen inne gehabt. Sollte es wieder zu größeren Gefangenen-Streiks kommen, wie beispielsweise vor einigen Jahren in den USA, wäre das ein wichtiger Moment für Solidarität von außen und eine Intensivierung militanter Kämpfe, um so gemeinsam Druck aufbauen zu können.

Wir möchten zudem unsere Verbundenheit mit all denen ausdrücken, die derzeit von SokoLinx (gegen die „Militanten Feuerzellen gegen Knäste“) und anderen staatlichen Schergen verfolgt werden, weil sie es wagen sich öffentlich gegen Knäste zu äußern oder Hunde sie gerne anbellen oder sie sich gewerkschaftlich hinter den Mauern organisieren.
Unsere hier niedergeschriebenen Gedanken sollen keine Kritik des Textes sein, sondern eine solidarische Ergänzung und Weiterknüpfung. Wir freuen uns auf weitere Aktionen, Austausch, Texte und alltägliche Akte der Fürsorge und des Widerstands.

Gruß und Kuss
eine Feministische Autonome Zelle (FAZ)

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