[Deutschland] Verurteilung nach G20 mit Rabatt in Freiburg

Quelle: indymedia

Am 21. Juni 2018 fand am Amtsgericht Freiburg ein Strafverfahren vor dem Hintergrund des G20-Gipfels statt. Zwei Linke wurden nach einer dreieinhalbstündigen Verhandlung zu Geldstrafen wegen Billigung von Straftaten (§ 140 StGB), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) beziehungsweise tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) verurteilt. Die Angeklagten machten keine Aussagen.

Per Strafbefehl waren die beiden zu 180 beziehungsweise 120 Tagessätzen verurteilt worden. Eine Anklage wegen Beleidigung (§ 185 StGB), die im Strafbefehl noch enthalten gewesen war, wurde vor der Hauptverhandlung nach § 154 StPO eingestellt und war heute kein Thema mehr. Das Corpus Delicti war ein SWR-Fernsehinterview vom 13. Juli 2017, in dem ein Linker die Hamburger G20-Proteste kommentiert. Seine Interview-Statements über die Vermittelbarkeit geplünderten Supermarktketten oder eines niedergebrannten Bankgebäudes wurden als Billigung von Straftaten bewertet. Macht 50 Tagessätze.

Die Hausdurchsuchung am 25. Oktober 2017 verlief „unglücklich“, da waren sich alle im Raum einig – allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Ein Polizeizeuge war frustriert, weil seine „Deeskalationsstrategie“ offensichtlich nicht funktioniert hatte: Zwei BeamtInnen in zivil wollen im Morgengrauen in eine Wohnung eindringen und weigern sich, den Durchsuchungsbefehl vor der Durchsuchung zu zeigen. Sie suchen ein weißes Hemd mit einem schwarzen Stern, eine schwarze Sturmhaube und eine schwarze Lochsonnenbrille sowie ein Paar Schuhe. Sie finden ein weißes Hemd ohne schwarzen Stern, eine schwarze Sturmhaube und eine schwarze Lochsonnenbrille, aber keine passenden Schuhe. Das Argument, dass diese Gegenstände alltäglich seien, wurde ignoriert.

Unter den PolizeizeugInnen war Konsens, dass es zu „Gerangel“ gekommen war, doch bei Reihenfolge, Richtung, Härte und weiteren Details gingen die ZeugInnenaussagen weit auseinander. Streckenweise klangen die Aussagen, als ob die PolizeizeugInnen von unterschiedlichen Auseinandersetzungen erzählten. Ein Polizeizeuge hatte sich einen kleinen Riss am kleinen Finger zugezogen und eine Polizeizeugin war beim „Schließen“ (für: mit Handschellen fesseln) ganz schlimm umgeknickt, krank geschrieben allerdings wurden beide nicht.

Nach einem halben Dutzend widersprüchlicher Aussagen der BelastungszeugInnen erteilte der Richter einen rechtlichen Hinweis, dass er statt einer Verurteilung nach § 114 eher eine nur nach § 113 in Erwägung ziehe. Gesagt, getan, macht dann 60 Tagessätze. Gesamtstrafe: 85 Tagessätze à 20 Euro.

Der zweite Angeklagte kam am Morgen des 25. Oktober zufällig zur Durchsuchung hinzu. Er soll einen Polizisten gestoßen haben, strafbar nach § 114 StGB. Macht 100 Tagessätze à 15 Euro.

Der Richter wertete die zurückhaltende Wortwahl des ersten Angeklagten im Interview als strafmildernd. Den zweiten Angeklagten ordnete er der linken Szene zu, die ja „gerne mal die Auseinandersetzung mit der Polizei“ suche, weswegen sein Schubser als strafbar nach dem jüngst reformierten § 114 StGB sei. Mindeststrafe: Drei Monate bzw. 90 Tagessätze und damit in polizeilichen Führungszeugnissen der nächsten drei Jahre. Andererseits gab es einen 47 %-Nachlass auf den Strafbefehl und an den Rechtsstaat glaubt ja eh schon lange niemand mehr.

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