[Deutschland] Thomas Meyer-Falk: Shorty gewinnt vor Gericht – mal wieder!

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Das Jahr 2021 ist noch jung, doch schon ereilte Shorty der erste Gerichtsbeschluss. Mal wieder hat er sich, zumindest vorläufig, vor Gericht durchgesetzt.

Wer ist Shorty?

Geboren 1978, sitzt er seit einem halben Jahrzehnt in Freiburg in Sicherungsverwahrung. Immer wieder berichte ich über seine bisweilen sehr kreativen Einfälle, die den Haftalltag abwechslungsreich gestalten (zuletzt über Shorty und die Armbrustaffäre), auch wenn er mitunter der Anstalt dadurch Gelegenheit gibt, ihn abzustrafen.
So sitzt er seit rund drei Monaten in Isohaft, nachdem bei ihm eine kleine, selbstgebastelte Armbrust gefunden wurde. Für ihn, der an ADHS leidet, eine ganz besonders bedrückende Situation.

Immer wieder hat er sich aber erfolgreich gegen Maßnahmen der JVA vor Gericht gewehrt. Ob es auch in folgendem Fall für ihn erfolgreich ausgehen wird, das ist noch offen.

Die Vorgeschichte

Am 10.06.2020 disziplinierte ihn die Haftanstalt, weil er mehrfach aus dem Fenster seiner Zelle geschrien haben soll, er wolle sein Ritalin. Ferner habe er Mitgefangene dadurch versucht aufzuwiegeln, dass er zu ihnen gesagt habe, sie mögen nicht zum Anstaltsarzt gehen, da die „euch hier alle umbringen in dem KZ“. Letztere Aussage bestritt Shorty. Seine Rufe aus dem Fenster räumte er ein. Anlass sei gewesen, dass die zuständige Vollzugsbeamtin, Frau P. sich geweigert habe, ihn in den Sanitätsraum zu bringen, wo er sein allmorgendliches Ritalin bekommen sollte, weil er zu spät bei ihr vorgesprochen habe. Denn hier in der JVA müssen Insassen, die bestimmte Medikamente erhalten, zu deren Einnahme dem Sanitätsdienst „zugeführt“ werden, wie das im Bürokratendeutsch heißt. Dies übernehmen die Stationsbediensteten, wie zum Beispiel Frau P.. Als sie dann meinte, sie bringe ihn jetzt nicht mehr zum Sanitätsdienst habe er sich nicht mehr weiter zu helfen gewusst, als aus dem Zellenfenster zu schreien, er wolle sein Medikament.

Der erste Gerichtsbeschluss – Landgericht Freiburg

Da die genannte Bedienstete den ganzen Vorgang der Behördenleitung meldete, wurde Shorty disziplinarisch verfolgt, insbesondere habe er das geordnete Zusammenleben gestört. Hiergegen wandte er sich an das Landgericht Freiburg, welches mit Beschluss vom 11.08.2020 (Az.: 13 StVK 247/20) seinen Antrag abwies. Er sei zurecht von der Anstalt für sein Verhalten bestraft worden.

Der zweite Gerichtsbeschluss – Oberlandesgericht Karlsruhe

Shorty fühlte sich weiterhin zu Unrecht von der Anstalt bedrängt und zog in die zweite Instanz. Zum OLG Karlsruhe nämlich. Dieses entschied nun am 12.01.2021 (Az.: 2 Ws 231/20), unter Vorsitz von Frau Richterin am OLG Beese, dass der Beschluss des Landgerichts inhaltlich unzureichend sei. Er entspreche nicht den Mindestanforderungen, welche an einen solchen Beschluss zu stellen seien. Zudem sei zu vermuten, dass sich das Landgericht nicht darüber bewusst gewesen zu sein scheine, dass es sich eine „eigene Überzeugung“ zu bilden habe und nicht einfach nur die Sachverhaltsdarstellung der Anstalt wiederzugeben habe. So hätte sie, weil Shorty die Aussage mit dem KZ bestritt, diesem Bestreiten näher nachgehen müssen.

Ausblick

Nun wird sich das Landgericht Freiburg in einem zweiten Anlauf dieser Sache anzunehmen haben. Wie das Verfahren ausgehen wird, ist offen, denn in der Vollzugspraxis erleben Inhaftierte allzu häufig, ähnlich wie die Opfer von Polizeigewalt, dass den Beamtinnen und Beamten in vollem Umfange geglaubt wird, wie sollen sie auch das Gegenteil beweisen können!? Wie wichtig die Versorgung von Shorty mit seinem Medikament Ritalin ist, hatte das OLG vor einiger Zeit selbst festgestellt, denn die Justizvollzugsanstalt hatte Shorty nach einem angeblichen Betrugsversuch – er soll versucht haben, die Einnahme nur vorzutäuschen, um die Pille dann aus dem Raum zu schmuggeln – radikal das Medikament abgesetzt. Hiergegen zog er seinerzeit vor Gericht. Auch damals verlor er vor dem Landgericht Freiburg und obsiegte erst vor dem OLG. Nach dem Sieg vor dem OLG sollte es allerdings noch Monate dauern, bis die JVA ihn wieder medikamentös versorgte.

Offen scheint nun im vorliegenden Fall auch zu sein, inwieweit sich eigentlich die JVA-Beamtin (oder Sanitätspersonal) dienst- bzw. strafrechtlich zu verantworten hätte, da sie die erforderliche Zuführung Shortys 2020 ausdrücklich (und unstreitig) ablehnte, weil er zu spät bei ihr um die Zuführung gebeten habe. Schließlich ging es nicht um eine Bagatelle, sondern die Einnahme eines von einem Arzt verordneten Medikaments. Warum hat die Beamtin Shorty nicht in dessen Haftraum rechtzeitig aufgesucht und abgeholt, um ihn zum Sanitätsdienst zu bringen!? Weshalb hat nicht der diensthabende Sanitäter rechtzeitig telefonisch bei der Stationsbeamtin nach dem Verbleib von Shorty gefragt? Vielleicht wird das Landgericht auch diesen Fragen nachgehen, denn selbst wenn die entsprechende Aussage,  die Shorty zur Last gelegt wird, vom Gericht bestätigt werden sollte, wäre all das relevant für die Frage, ob denn eine disziplinarische Ahndung überhaupt angemessen wäre.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. Justizvollzugsanstalt (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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