[Deutschland] Nach Kundgebung/Demo am 23.01: Zellenrazzia im Knast Moabit!

Quelle: criminalsforfreedom.noblogs.org

Nachdem sich am Samstag, den 23.01.21, zunächst etwa 200 Menschen versammelten, um dem im Knast Moabit Ermordeten Ferhat Mayouf zu gedenken und anschließend etwa 800 Menschen gegen die staatlichen Maßnahmen in Zeiten der Pandemie demonstrierten und auf beiden Veranstaltungen zwei Gefangene aus Moabit mit Redebeiträgen zu Wort kamen, wurden diese nun am 28.01.21 gerazzt. Hier die Berichte der Gefangenen von dem Tag:

Bericht von Kay:

„Ich saß um 06:15 Uhr auf meinem Bett mit T-Shirt, Jogginghose und Hausschuhen während ich genüsslich eine Zigarette rauchte, meinen warmen Kaffee trank und mit meiner Freundin telefonierte. Plötzlich wurden parallel die beiden Türen unserer Suiten (Begegnungszelle) lautstark und hektisch aufgeschlossen. Ein Bediensteter brüllte mich an ‚auflegen und rauskommen‘. Dies tat ich. Ich sagte zu ihm, ich ziehe mir noch die Socken an, er antwortete ‚die brauchen sie nicht‘. Aus der Suite getreten sah ich acht Bedienstete ( normaler Weise sind es max. 3 bei einer bevorstehenden Razzia). Mir war schon klar, was jetzt abgeht. Zusammen und geschlossen im Konvoi mit meinem Suitenachbarn ging es vorbei am Aquarium der Teilanstalt 1 in den E-Flügel. Mein Suitenachbar fragte mich scherzhaft ‚Was hast du wieder gemacht?‘ Ich antwortete im Beisein aller Beteiligten mach dir kein Kopf, dass ist nur die morgendliche Willkür der Schlusen. (Schlusen = Verniedlichung von Schließern) Mein Suitenachbar ging in den Raum wo Leibesvisitationen abgehalten werden. Ich stand währenddessen wie bestellt und nicht abgeholt gelangweilt eingekesselt von vier Bediensteten auf dem Gang.

Nach ca. 5 Minuten kam meine Suitenachbar heraus, wir klatschten uns ab und ich ging hinein. Einer der drei anwesenden Bediensteten brüllte ‚alles ausziehen‘. Es war kein Arzt dabei. Wie Gott mich schuf stand ich vor denen, Beine breit, Hoden anheben, umdrehen, nach vorne beugen und After auseinander ziehen. Als der Bedienstete in mein Knastportmonee schaute, stellte ich mir die Frage, ob er am Ende des Tunnels Licht sieht. Während er dies tat, ist mir etwas entfleucht in Form von heißen Edelgasen. Ich erschreckte mich selbst und drehte mich zu ihm um. Er fragte mich mit entglittenen Gesichtszügen ‚haben sie mich gerade angepupst?‘ Ich antwortete genervt naja, wenn sie mich morgens um 6.15 Uhr aus meiner Suite zerren und ich noch nicht das dritte K (Kaffee Kippen Kacken) geschafft habe, müssen sie damit rechnen. Nach der Peepshow wurde ich getrennt von meinem Suitenachbarn für ca. 50 Minuten in eine Wartesuite eingeschlossen. Es ging danach zurück auf unsere Begegnungssuite. Der Bedienstete erklärte mir, dass er meinen zweiten Tauchsieder und Ersatzantennenkabel beschlagnahmt hat. Komisch, zwei Wochen vorher hat die Sicherheit eine Haftraumrevision durchgeführt und nichts beanstandet. Die Bilder blieben hängen und der Tauchsieder und das Antennenkabel blieben im Haftraum. Empört erklärte ich dem Herren, dafür habe ich eine Quittung und das ist mein Eigentum. Ich zeigte ihm die Rechnung, nichts änderte sich daran. Er blieb dabei und unterstellte mir jetzt zusätzlich ich hätte den zweiten Tauchsieder geklaut. Ich ließ nicht locker und nach mehrminütiger Diskussion sagte er ‚wollen sie mich jetzt anpissen?‘ oder was? und knallte das Brett der Suite zu. Naja dachte ich mir, wenn die Bediensteten keine Argumente mehr haben und auf eine sachliche Diskussion nicht einsteigen wollen, werden diese laut, ausfallend und ungehalten. Dies Benehmen glich so als würde man einem Kind den Lolly klauen.

Ich sah mich in meiner Suite um und merkte, dass viele Bilder abgerissen, zerrissen und zerknüllt wurden. Der Inhalt meiner Schränke lag verteilt auf dem Bett und Fußboden.Wer keine Argumente mir mehr entgegen bringen kann, zeigt abnormale Vorgehensweisen im Verhalten, wie zB. Chaos in meiner Suite anzurichten. Bei meinem Suitenachbarn sah es deutlich besser aus, Bilder hingen noch dort wo sie vorher hingen. Ich ging an meinen Schrank und schaute ob die Bediensteten an den Akten waren. Ja, das waren sie! Der Aktenordner in denen Schreiben von meinen Anwälten und von den Abgeordnetenhaus von Berlin abgeheftet waren, waren offen, die Klammer die die Schreiben zusammenhielten ebenso. Auch bemerkte ich, dass diese Ordner an der falschen Stelle standen im Schrank. Meine Ordnung lässt grüßen! Mein Suitenachbar und ich schauten uns nur grinsend an und wir sagten uns frischen Kaffee, Zigarette und aufräumen. Etwas positives hatte die willkürliche Aktion, ich konnte meinen Schrank mal feucht auswischen, da der Inhalt ja in der Suite verstreut war. Einen Arbeitsschritt gespart, danke Jungs und bis bald. (…)

Ich gehe nunmehr davon aus, dass Frau Stein (Leiterin der JVA Berlin Moabit) und/oder Frau Wedra (Leiterin Teilanstalt 1) dies angeordnet hat, als Retourkutsche,Willkür und Machtdemonstration. Seit Monaten schreibe ich Anträge gemäß § 119a StPO, Beschwerden und starte Petitionen wegen gerechtfertigten Belange, die die Schutzbefohlenen betreffen. Beispielsweise die Duldung und Unterstützung der finanziellen Ausbeutung von Schutzbefohlenen in Form von rechtswidrigen und überteuerten Telekommunikationsdienstleistungskosten, Überprüfungs-und Versiegelungskosten von E-Geräten sowie Einkäufen bei der Firma Massak. Zeitgleich wird der Druck draußen von Angehörigen und Demonstrationen in Form von Anzeigen, Beschwerden und Kundgebungen erhöht. Auch die unbequeme Wahrheit die ich draußen publik gemacht habe wegen der Missachtung der Sars Cov 2 Infektionsschutzverordnung Land Berlin in der JVA Moabit sowie mein Zeugenbericht wegen dem Haftraumbrand wobei Ferhat Mayouf ums Leben gekommen ist spielen hierbei anscheinend eine Rolle. Wie heißt es doch so schön, getroffene Hunde bellen.“

Erlebnisbericht von Danny:

„Nach einer Nacht mit wenig Schlaf ist es 6.15 Uhr. Angezogen mit der Mülltüte in der Hand erwarte ich den allmorgendlichen Aufschluss. Der frisch aufgesetzte Kaffee wartet dampfend auf seinen Verzehr. Ein typischer Morgen halt. Die Tür geht au‘, mein Blick in den Gang verrät: nichts ist typisch. Vor meiner Zelle haben sich acht Bedienstete aufgestellt. ‚Hinstellen‘ bellt mich einer mit dem Fingerzeig auf meinen Müllbeutel an. ‚Raustreten‘ bellt er weiter. Vier der Beamten umringen mich, da entlang. Ich bekomme noch mit, wie andere Beamte in meine Zelle einrücken. Gleichzeitig wird die Tür zu meinem Mithäftling geöffnet. Ihn erwartet also das Gleiche denke ich noch. Ich werde schweigend durch den Stationsflur des C- Flügels in den E-Flügel geleitet. Diensthabendes Personal und Hausarbeiter stehen überall. Eine Vorführung und Erniedrigung gleich kommend. Wir erreichen einen Untersuchungsraum im E-Flügel. Inzwischen kommt auch mein Mithäftling.

Flankiert von Beamten die ihn nicht aus den Augen lassen. Als der Tross uns erreicht, frage ich zum Scherz meinen Mithäftling was er denn angestellt hätte. Seine Antwort ist kurz und knapp, seine typische Art eben, ’nichts als Beamtenwillkür‘ sagt er. Da rein, der Beamte verweist auf die Räumlichkeit. Ich gehe hinein. Ausziehen! Ich beginne mich zu entkleiden, frage dabei aber was das Ganze den soll? ‚Geht sie nichts an‘ so die saloppe Antwort. In meinem Kopf stellen sich Fragen, Gedanken wirbeln durcheinander während ich nackt versuche ein wenig Würde zu behalten. Meine Kleidung wird durchwühlt und gewendet. Nackt sehe ich dem Treiben zu.

Nachdem noch meine Boots durchleuchtet werden, darf ich mich wieder unter den Blicken der Beamten bekleiden. Kein typischer Morgen! Danach werde ich in einen anderen Haftprüfraum geführt mit dem Kommentar ‚geht gleich weiter‘ fällt die Tür ins Schloss. Ich höre das typische Einschlussgeräusch. Tief durchatmend stehe ich in einer mit Stühlen ausgestatteten Zelle. Ich blicke zum Fenster raus und suche einen Fixpunkt. Ich bin klaustrophob! Fixpunkte sind wichtig, Panik steig in mir auf, wirre Gedanken. Nach einigen Minuten finde ich einen Ast mit verwachsenem äußeren an dem Baum vorm Fenster. Der erlernte Reflex setzt ein. Fixieren und Gedanken ordnen sage ich wiederholt zu mir selbst. Gebe dir nicht die Blöße vor denen, sei stark. Fokussiert auf den Ast vergeht die Zeit. Fünfzig Minuten später geht die Zelle auf ’so‘ sagte ein Beamter.

Der normale Haftalltag geht weiter. Ich werde zu meinem Haftraum geführt. Schon beim Öffnen sehe ich, dass der die Zelle durchsucht hat. Meine Akten- und Briefordner stehen auf den Boden. Die Packungen meiner Cornflakes geöffnet. Schränke durchsucht und Chaos auf dem Tisch. Mein Mithäftling kommt. Ich öffne die Zwischentür und sehe seine zugerichtete Zelle. Seine Schrankinhalte sind auf dem Bett verteilt, Fetzen von abgerissenen Bildern auf dem Tisch. Transportboxen geöffnet und durchwühlt. Wir sehen uns an, na Super stellen wir fest. Kaffee kalt, kostet ja nix. Ich sehe sein Chaos und sage „’ch mach uns neuen frischen Kaffee‘, Zigarette hilft denken wir wohl beide und zünden uns eine an. Er ist wie immer ruhig und gefasst. Keine Zeichen von Unruhe, in mir brodelt es. Gerade so einer Panikattacke entkommen, kann ich nichts sagen und frage ihn ‚was soll das denn?‘ ‚Schikane und Beamtenwillkür‘ sagte er ruhig rauchend.

Die haben es auf uns abgesehen. Wir halten eben nicht die Klappe, das mögen die nicht. Die Leser sollten wissen, wir beide schreiben Beschwerden an den Senat, die Anstalt und andere. Wir sind nicht leise, unbequem halt. Wir beginnen unsere Zellen aufzuräumen, langsam beruhige ich mich. Um nicht die Kontrolle zu verlieren habe ich mir eine Bedarfsmedikation gegönnt. 9.20 Uhr endlich Hofgang, wir gehen hinaus, frische Luft tut gut. Natürlich ist unser Martyrium Gesprächsstoff, alles wundert sich. Wir waren die Einzigen die das an diesem Tag ertragen mussten und nein der Tag verlief nicht wie sonst. Bei jedem Aufschluss betrat ein Beamter unsere Hafträume und blickte sich suchend um und öffnete das Fenster. Warum? Wir wissen es nicht. Über diese Vorgänge wurde uns nicht eröffnet. Laut Untersuchungshaftgesetz müsse dies aber erfolgen und die Ausführung einer solchen Maßnahme erfolgt nur nach Befehl der Anstaltsleitung.

Ein Schelm wer da Böses denkt. Wir halten trotzdem nicht die Klappe.

Wehrt Euch! Grüße an Alle! Haltet durch!“

-->