Quelle: freedom for thomas
Wie vor ein paar Tagen berichtet, herrschte seit dem 04.12.2020 in der südbadischen Haftanstalt Freiburg Corona-Alarm, nachdem ein Insasse positiv auf das Virus getestet worden war.
Am Spätnachmittag des 09.12.2020 endeten die Isolationsmaßnahmen weitestgehend.
Ablauf der letzten Tage – Corona-Alarm am Freitag und Wochenende
Am Freitag, 04.12.2020, erfolgte gegen 17:30 Uhr ein sogenannter „Generaleinschluss“, alle Insassen wurden ohne Mitteilung über die Hintergründe in ihren Zellen weggeschlossen.
Circa 19:30 Uhr gab es eine Durchsage des Anstaltsleiters Völkel, wonach ein Insasse der Station 4-3 positiv auf Covid getestet worden sei und ab sofort „Klappenbetrieb“ angeordnet worden sei. Eine Kontaktnachverfolgung sei gescheitert.
Als erste Reaktion trommelten Insassen gegen die Zellentüren, die Gitter und schrien aus dem Fenster.
Denn de facto bedeutete die Durchsage ab sofort Isolationshaft für alle Insassen. Kein Hofgang, kein Duschen, keine Besuche, die Zelle bleibt 24 Stunden/Tag geschlossen, eine Versorgung mit Essen, WC-Papier etc. wird durch eine kleine Luke in der Türmitte durch das Personal sicher gestellt.
Der Montag, 07.12.2020
Erst am Montag, 07.12.2020, wurde dann zumindest das Einzelduschen ermöglicht, d.h., jeder Insasse, zumindest im Bereich der Sicherungsverwahrung (SV), wurde alleine aus seiner Zelle gelassen, um ein paar Minuten duschen zu können.
Am Vormittag meldete sich der Anstaltsarzt Dr. Teichmann per Durchsage und bat nachdrücklich um Verständnis für die Isolationshaftmaßnahmen der Insassen.
Der Anstaltsleiter meldete sich wenige Zeit später ebenfalls per Durchsage. Danach treffe am Dienstag der „Diagnose-Truck“ ein. Dabei handelt es sich um einen LKW, der in der JVA Mannheim stationiert ist und dessen Personal während der Corona-Pandemie in Baden-Württemberg bei Corona-Ausbrüchen vor Ort Testungen durchführt.
Bis Mittwochabend sollten, so der Behördenleiter, die Ergebnisse vorliegen.
Ferner betonte er, der für diese Woche terminierte „Einkauf“ finde statt.
Dort werden von der Firma Massak Logistik GmbH alle 14 Tage die Waren des täglichen Bedarfs wie Tabak, Kaffee, Lebensmittel geliefert.
Die Stationspsychologin Frau W. und der Sozialarbeiter S. (Abt. SV) ließen über den Stationsbeamten L. einen kurzen Brief an die „Lieben Bewohner der Station 2“ verteilen, in welchem sie Gespräche an der „Klappe“, gemeint ist die genannte Luke in der Zellentüre, anboten und allen Insassen „gutes Durchhaltevermögen und Gesundheit“ wünschten.
Dienstag, 08.12.2020
So erfolgte ab Dienstag, 08.12.2020, eine Testung aller Insassen, d.h., der bekannte Mund-Nasenabstrich. Der „Klappenbetrieb“ wurde fortgesetzt.
Als sich am Mittwoch in den Vormittagsstunden keine Veränderung des Zustandes abzeichnete, begannen wieder Insassen gegen die Zellentüren zu treten, einer forderte dazu auf, das Essen zu verweigern.
Mittwoch, 09.12.2020
Am Mittwoch, 09.12.2020, meldete sich am Spätnachmittag der Anstaltsleiter doch noch gegen 17:15 Uhr und teilte mit, die Testungen hätten bei Insassen keine weiteren positiven Testungen ergeben, so dass man ab Donnerstagnachmittag voraussichtlich zum Regelbetrieb zurück kehren könne.
Das trug nicht wirklich zur Entspannung bei, sofort schrien Gefangene aus den Zellenfenstern und forderten Zellenaufschluss. Im Bereich der SV wurden zumindest noch kurze Zeit von 17:30 – 18:45 Uhr die Hafträume geöffnet, so dass die Insassen sich etwas bewegen konnten.
Bewertung
Angesichts der hohen Zahl von Insassen, insbesondere im Bereich der SV, welche besonders gefährdet sind, sollten sie sich mit Covid infizieren, war es sicherlich nicht völlig unberechtigt, ganz zu Anfang Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings haperte es aus Insassensicht an der Kommunikation ebenso wie am Tempo, an der Gewährleistung grundlegender Alltagsleistungen und ob die Maßnahmen insgesamt verhältnismäßig waren, ist auch klärungsbedürftig.
Zur Kommunikation: insbesondere am Wochenende und auch die weiteren Tage fehlte es an Informationen über Sachstand und Zwischenstand der Maßnahmen.
Vor allem auch in gängigen Sprachen. Die wenigen Durchsagen, die es gab, erfolgten in deutscher Sprache. Dabei sitzen Insassen verschiedenster Nationen in Freiburg ein und nicht wenige dürften sprachlich die Durchsagen kaum verstanden haben. Weshalb keine entsprechenden Übersetzungen in arabisch, türkisch, spanisch und weiteren Sprachen erfolgten, ist nicht nachvollziehbar.
Auch die wenigen Durchsagen reichten nicht aus. Man muss sich vor Augen führen, dass die Insassen schlicht weggeschlossen wurden ohne weitere Information. Hier zeigte sich auch wieder die stahlharte Grundhaltung, die hinter der freundlichen Fassade steckt.
Insassinnen und Insassen haben als Körperobjekte zu fungieren, die auf Anordnung widerspruchslos hinzunehmen haben, dass sie tagelang isoliert werden (und jene, die kein Deutsch verstehen, dass sie nicht einmal die Hintergründe im Ansatz verstehen konnten).
Zum Tempo: weshalb der „Diagnose-Truck“ nicht schon am Samstag zum Einsatz kam, sondern erst am Dienstag, ist nicht erläutert worden.
Wenn er andernorts im Einsatz gewesen sein sollte, hätte man anderweitig schon am Samstag mit den Testungen beginnen und nicht die Insassen tagelang einfach nur wegschließen müssen.
Zu den Alltagsleistungen: zwar klappte die Versorgung mit Anstaltsessen, auch wenn ein Insasse aus der Strafhaft ganz treffend aus dem Fenster brüllte, die Anstalt möge sich „das Schnitzel in den Arsch schieben“, er wolle Zellenaufschluss. Aber schon bei der Versorgung mit frischer Wäsche scheiterte die Anstalt. Zwar wurde „Wäschetausch“ per Durchsage versprochen, zumindest in der SV gab es keinen.
Schließlich die Verhältnismäßigkeit: für den SV, die in einem eigenständigen Anbau untergebracht ist, muss gefragt werden, weshalb hier nicht schon am Wochenende eine Testung aller Insassen durchgeführt wurde, um dann bei negativen Ergebnissen umgehend die Zellen wieder öffnen zu können.
Die Insassen einer ganzen Anstalt in Isolationshaft zu stecken, ist für die Betroffenen seelisch und körperlich enorm belastend. In Hamburg wurden an Insassen zu Beginn der Pandemie Handys verteilt, warum nicht auch hier im Süden? Das würde sofort ganz viel Druck aus der Situation nehmen! Im Bereich der SV haben die Gefangenen zumindest den Vorteil, dass die Hafträume mit Telefonen ausgestattet sind. So konnten zumindest jene Insassen mit Außenkontakten telefonieren.
Zwischenzeitlich hat die JVA alle Insassen im Alter von über 60 Jahren sowie an Risikopatienten FFP-2 Masken verteilt. Die Sicherungsverwahrten dürfen bis auf weiteres nicht zusammen mit Strafgefangenen arbeiten.
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg
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