[Belarus] Nikolai Dedok: „Sie drohten mit Vergewaltigung, und sagten, sie würden mich zur Gestapo oder in den Wald bringen“

quelle: enough is enough

Belarus. Nikolai Dedoks Geschichte, übergeben an Radio Svaboda.

Am 12. November berichtete das Innenministerium über die Verhaftung des anarchistischen Bloggers Nikolai Dedok. Daraufhin behauptete der Pressedienst des Ministeriums, dass der Häftling „aktiv mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet und Geständnisse ablegt“. Gleichzeitig ist aus den Aufzeichnungen, die zusammen mit der Pressemitteilung der Polizei veröffentlicht wurden, klar ersichtlich, dass Dedok schwer misshandelt wurde. Jetzt wird er beschuldigt, Handlungen organisiert zu haben, die die öffentliche Ordnung grob verletzen (Artikel 342 des Strafgesetzbuches). Von der Person, mit der Dedok in der Haftanstalt in der Akrestsina-Straße sprechen konnte, erfuhr „Mediazona“ Einzelheiten über die Inhaftierung des Anarchisten.

Ursprünglich veröffentlicht von ABC Belarus. Übersetzt von Enough 14.

Die Quelle, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben wollte, teilte „Mediazona“ mit, dass laut Nikolai Dedok die Sicherheitskräfte am 11. November gegen 23.00 Uhr in seine gemietete Wohnung in der Stadt Sosnovy kamen. „Sie schlugen das Fenster ein, und sieben Leute von einer Spezialeinheit der Polizei und OMON-Leute (Bereitschaftspolizei) drangen ein“, erinnert sich die Quelle der Geschichte des Anarchisten.

„Am Anfang fingen sie an, [ihn] zu schlagen, um ein Passwort für den Zugang zum Laptop-System usw. zu bekommen, dann begannen sie, ihn mit einem Kissen zu erdrücken. Als [er] anfing zu ersticken, gab er ihnen das Passwort. Dann wurde [er] so lange geschlagen, bis er sich an das Passwort für das als Telegramm bezeichnete soziale Netzwerk erinnerte“, berichtet die Quelle.

Dann lag Dedok für einige Zeit auf dem Boden – die Vollzugsbeamten ließen ihn den Kopf nicht heben, aber der Blogger erinnerte sich, dass sie in der Wohnung herumliefen. Bald darauf brachten sie Zeugen und durchsuchten die Wohnung. „[Er] wurde sofort angewiesen, in Gegenwart der Zeugen kein Wort zu sagen“, berichtet der Gesprächspartner von „Mediazona“.

„Bei der Durchsuchung wurden drei Flaschen mit Utensilien die sehr stark nach Benzin rochen, aus einer Nische geholt [die sich nicht in der Wohnung befindet]. Aber die Flaschen waren in ein Handtuch gewickelt, das er in der Küche benutzte“, erinnerte sich Dedok im Gespräch mit der Quelle. Später berichteten belarussische Massenmedien, dass die Molotow-Cocktails in Nikolais Wohnung gefunden wurden.

Die Rechtsanwältin Natalia Matskevich teilte mit, dass Nikolai Dedok bei seiner Verhaftung geschlagen wurde. Die Verteidigerin beantragte eine gerichtsmedizinische Untersuchung.

„Ich kann sagen, dass ich mehrere Klienten hatte, die aus Tschetschenien geflohen sind, nachdem sie gefoltert wurden, und die in Belarus zur Ausweisung inhaftiert wurden. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich solche Geschichten in unserem Land hören würde“, sagte Matskewitsch, ohne die Einzelheiten der Verhaftung ihres Klienten zu präzisieren.

Nach der Durchsuchung teilten die Polizeikräfte Nikolai Dedok mit, dass sie nun Videoaufnahmen machen würden. Sie drängten ihn in eine Speisekammer und setzten dort Tränengas ein. „Dann brachten sie ihn nach draußen und sprühten ihm Pfeffergas ins Gesicht, direkt in die Augen. Sie sagten, wenn er nicht auf Video sprechen würde, würden sie ihn sein Gesicht nicht waschen lassen. Sie brachten ihn ins Haus, und bis das Video gedreht war, ließen sie ihn sein Gesicht nicht waschen“, beschreibt die Quelle von „Mediazona“ die Worte des Anarchisten.

Auf der vom Pressedienst des Innenministeriums herausgegebenen Aufzeichnung ist zu erkennen, dass die Augen von Dedok sichtbar tränen. Quelle: Spring96.org.

„Die ganze Zeit drohten sie damit, ihn zu vergewaltigen, auf ihn zu pissen, und sie sagten, sie würden ihn zur Gestapo oder in den Wald bringen“, fährt die Quelle fort.

Gegen 1.30 Uhr wurde Dedok in einen Kleinbus gesetzt und nach Minsk zum Hauptbüro der GUBOPiK (Hauptdirektion für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption) gebracht. Der Blogger erzählte der „Mediazona“-Quelle, dass er dort mit dem Gesicht auf den Boden gelegt wurde und vier Stunden in dieser Position verbrachte.

„[Er] wurde aufgefordert, ein Passwort von VeraCrypt, von seiner Festplatte, bereitzustellen, und wurde aufgefordert, zu sagen, wer die Kanaladministratoren, insbesondere anarchistische wie „Pramen“ und „ABC-Belarus“ ( Anarchist Black Cross) sind. Als er schwieg, schlugen sie ihm mit Knüppeln auf den Rücken und die Beine“, – sagt die Quelle der Dedok-Geschichte.

Er wurde mit Vergewaltigung mit einem Schlagstock bedroht, an den Händen und auf den Fersen mit einem Elektroschockgerät geschlagen; als er den Kopf hob, traten sie auf ihn drauf – dies dauerte bis 5 Uhr morgens an.

„Sie nahmen Flaschen, die sie angeblich in der Wohnung gefunden hatten, stopften ihm Flaschenhälse in den Mund, ließen ihn darauf spucken und dann rieben sie die Flaschen. Man gab ihm einige Papiere zum Unterschreiben“, sagte Dedok dem Gesprächspartner von „Mediazona“.

Nachdem die Polizeibeamten den verhafteten Anarchisten aufgefordert hatten, den von ihnen geschriebenen Text erneut vor der Kamera vorzutragen, „sagten sie, wenn er etwas Falsches sagt, werden sie ihn verprügeln. Wenn er irgendetwas anderes über Bullen oder über jemanden aus der GUBOPiK (Hauptdirektion für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption) sagt, werden sie ihn aus dem Gefangenenlager holen und ihn erneut verprügeln, und zwar noch härter.“

Laut der Quelle weiß Dedok nicht, wer ihn verhöhnt hat – die Teilnehmer an der Verhaftung und Durchsuchung haben sich nicht vorgestellt und trugen Masken. Sie „versprachen“, dass der Anarchist „sieben oder neun Jahre“ bekommen würde, und wenn er etwas über „sie“ sagt, „wird er in ein „Cockpit“ (die spezielle russische Art von Zelle, in der Gefangene eventuell eine neue vergewaltigen können. Die Wärter können diese Zelle als Panikmacher benutzen) gebracht und dort drüben getötet werden“.

Dedok wurde am 12. November gegen 5 Uhr morgens zum Haftzentrum in Akrestsina gebracht. Jetzt befindet sich Nikolai Dedok in der Untersuchungshaftanstalt Nr. 1.

25. November, 2020

 

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