Rauchzeichen aus einer toten Welt

(gefunden auf: Radio Chiflada)
 
 
Es mag ein wenig übertrieben klingen, von Knästen, insbesondere den Anstalten,
in denen Sicherungsverwahrung vollzogen wird (die immerhin auf ein Gesetz der
Nazis vom 24.11 1933 basiert), als den Totenwelten zu sprechen.
 

Aber aus Sicht eines Betroffenen trifft es die Situation ganz gut.
Wir begegnen dort an der Seele und Psyche oftmals verkrüppelten
Menschen, die entweder nie die echte Freiheit und Unabhängigkeit
kennengelernt haben, oder wenn sie einen Hauch davon erspürten, ihn vom
Knastsystem mit aller Macht ausgetrieben bekommen sollen.
 
 
 
 
Niemand bestreitet ernsthaft, daß viele derer die hinter Gittern einsitzen,
vielfach destruktiv, ja auch grausam gehandelt haben, damit sind sie aber auch
Produkt einer destruktiven und grausamen Gesellschaft, in der ausbeuterische
Herrschaft über die Liebe zum Leben und zur Freiheit zu siegen scheint. 
 
Hier im Freiburger Knast sitzen Männer
seit 5, 10, 15 und mehr Jahren in der Sicherungsverwahrung. Nicht wenige geben
offen zu damit zu rechnen, hier ihr Leben zu beenden, d.h. eines Tages zu
sterben, ohne jemals wieder den Duft der Freiheit geschnuppert zu haben.
Aber beginnen sie deshalb die Revolte, lehnen sie sich aktiv und kämpferisch
auf? Nein, sie verharren in Resignation, eine tiefe Traurigkeit scheint von
ihnen auszugehen, wenn man mal hinter die mitunter lautstark-aggressiv
vorgetragene Haltung blickt.
Niemand schenkt ihnen Gehör- sieht man von den professionellen Juristen (Anwalt
und Gericht), sowie Knastpersonal ab. Und dass solche Personen ein ganz anders
geartetes Interesse an den Verwahrten haben, als ihnen eine baldige Freilassung
zu ermöglichen, das sollte auf der Hand liegen.
 
 
 
Lass dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit ••• “,sang Wolf Biermann
seinerzeit; aber hier hinter den harten dicken Betonmauern treffen wir auf
mindestens ebenso verhärtete Menschen. Diese wirklich zu erreichen, sie wirklich
in ihrem Inneren zu berühren und aus der Verhärtung zu lösen, das wird den heute
bestehenden Strukturen in den Knästen nicht gelingen, ja es soll auch nicht
gelingen.
Denn jene Menschen die uns einsperren, tagtäglich mit immer kleinlicheren
Schikanen provozieren, sind Teil eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses, der
nicht auf Befreiung und Befriedung, sondern einen fortdauernden Kampf um
Herrschaft über das Individuum gerichtet ist.
Deshalb ist auch die so radikal klingende Forderung nach Abschaffung aller
Knäste berechtigt, denn eine Reform im bestehenden System ist unmöglich; nur
durch eine Überwindung der bestehenden gesellschaftlichen Strukturen kann am
Ende auch eine Abschaffung der Knäste stehen. Insofern steht die entsprechende
Forderung in einer Linie mit jenen Kämpfen, die sich gegen die bestehende
gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung richten.
 
 
Aber all das hilft nicht den Hoffnungslosen und Verlorenen die heute hinter den
Mauern leben, die dort morgen, übermorgen oder nächstes Jahr dort hinein
gelangen werden
 
 
Trotzdem können Veranstaltungen wie die Anti-Knasttage, dieses Jahr in Bielefeld, ein
Leuchtfeuer sein, ein kleiner Hoffnungsschimmer der aufzeigt, daß eine andere
Welt, eine Welt in niemand mehr eingesperrt wird, die ohne solche Orte auskommt.
 
Thomas Meyer-Falk
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